Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

14 fer Verneigung die hohen Herrschaften begrüßte und unter lautloser Stille sagte Gott zum Gruß bevor; und nun will ich den hohen Gästen unseres gnä¬ digsten Herrn und Herzogs sagen, was die Herzen von Steyrs Geistlichkeit. Adel und Volk freudig bewegt und wozu ich beauftragt bin, in deren Na¬ men zu sprechen. Freud und Leid teilt das Schicksal im gleichen Maße aus und heut ist's Freude, die uns aufs neu nach gar schlimmen Tagen bewegt, denn Her¬ zog Ottokars Braut und Steyrs zukünf¬ tige Landesmutter zu begrüßen, ist uns vergönnt.“ „Fürstin!“ —— der Abt sprach jetzt zu Prinzessin Agnes gewendet — „ver¬ nehmt's, was der Steyrer Wunsch in diesem Augenblicke ist: Gott gebe in euch unserm allergnädigsten Herrn ein liebreich Ehgemahl, eine Stütze und einen Trost in trüben Tagen, und uns beglücke der Lenker der Welten, in¬ dem er euch für die immer treuen Un¬ tertanen der steirischen Mark eine so fürsorgliche Landesmutter werden lasse, wie sie die edeln Frauen aus dem Traungauer=Stamme allzeit uns gewesen sind! Der Herr segne euren Eintritt in die Residenz der Ottokare!“ Der Abt machte der Prinzessin eine Verbeugung, der Landesmarschall winkte, ungesehen von den Gästen aus dem Ba¬ benberger Herrscherhause, hinauf gegen den großen Wartturm des Schlosses und sogleich fielen die daselbst auf der Zinne aufgestellten Bläser mit einem gewal¬ tigen Tusch ein, während aus Adel und Volk der vielstimmige Ruf erscholl: „Gott segne die hohe Braut!“ Die Prinzessin war durch diesen ebenso herzlichen als feierlichen Emp¬ fang auf das freudigste überrascht und auf ihrem feinen, schönen Gesichtchen zeigte sich der Ausdruck lebhafter Freude und Genugtuung. Sie verneigte sich vor dem Abt von Garsten, reichte ihm freundlich die Hand und grüßte dankend nach allen Seiten, was neuerliche und stürmische „Willkommen“=Rufe zur Folge hatte, die solange anhielten, bis der Landesmarschall durch Zeichen zu verstehen gab, daß Ruhe eintreten solle, — Nun wandte was auch bald geschah. sich der Abt von Garsten zur Herzogin Helena und zu Herzog Heinrich. „Eine große Beruhigung und hohe Freude hat es den treuen Bewohnern der steirischen Gaue gewährt,“ sagte der Abt unter anderem in seiner Be¬ grüßungsansprache an diese Beiden, „daß unseres allergnädigsten Herrn Fürwahl auf eine Tochter aus Babenbergs hohem Stamme gefallen ist, denn eine solch¬ kann ja nur zur Herrscherin geboren und erzogen sein, und daß sie auch der Frauen hohe Tugenden nicht entbehrt, dafür bürgt uns Steyrern der berühmte Name ihrer Mutter, der Herzogin He¬ lena.“ Und nachdem der Abt die Ritter¬ lichkeit des Herzogs Heinrich in danken¬ der Weise gepriesen, hieß er Herzogin Helena und deren Schwager auf das herzlichste willkommen. Wieder bliesen die Spielleute vom Turme einen Tusch und wieder gab das Volk seine Zustim¬ mung zu den Worten des Abtes durch laute Beifallsrufe kund, und jetzt erst konnte Herzog Heinrich in kurzer, aber gar wohl gesetzter Rede in der Damen und seinem Namen den Dank abstatten, worauf Herzog Ottokar den Damen wie¬ der in die Sättel half und der Zug sich nach dem Schlosse in Bewegung setzte, voran der Banner= und der Schild¬ träger des Herzogs, hierauf dieser selbst mit den fürstlichen Frauen, dann der Herzog Heinrich inmitten zweier Edlen des steirischen Hofes und nun der Adel mit seinem bewaffneten Gefolge. Der Zug nahm seinen Weg über den Stadtplatz und den heutigen Pfarr¬ kirchenberg hinauf zum Schloß. Ueber¬ all wurde die hohe Braut von der Kopf an Kopf gedrängt harrenden Menge mit lebhaften Zurufen begrüßt, aus den Fenstern der Häuser wurden Tücher geschwenkt und am Schloßtore

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