Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

ein rauher Wind durch die engen Gassen. „Wie lebhaft war unser Herr, als wir ihm von seiner Braut erzählten!“ „Ach, meine liebe Agnes,“ sagte er wiederholt, „wie werde ich mich freuen dich hier zu Steyr als Herrin zu sehen, und da wurde sein leidendes Gesicht ganz verklärt dabei. Der Herzog muf seine hohe Braut doch ganz außer¬ ordentlich lieb haben, wie?“ Herr Gerung hielt den forschenden Blick des Stubenbergers fest und ruhig aus und sagte, nicht ohne gewisse Be tonung: „Will's meinen, daß er seine Ver¬ — mehr glaub' ich, sprochene lieb hat, als sich selber, und wenn, wie mir mein Bruder Meginhalm just vorhin erzählte Frau Agnes unserem gnädigen Herrn ebenso aufrichtig zugetan ist wie er ihr, können wir für den Herrn das Beste erhoffen.“ „Wie meint ihr das, Herr Ge¬ rung,“ fragte der von Stubenberg über¬ rascht und drehte sich wieder ganz zu dem Kämmerling, von dem er sich schon abgewandt hatte, da er den nach und nach forteilenden übrigen Herren der Gesandtschaft nachsah. „Mit Ver¬ laub, inwiefern erhofft ihr euch Gutes von der Heirat unseres gnädigen Herrn? Mich gelüstet darnach, von euch darüber etwas zu vernehmen, weil wir auf unseren fernen Burgen doch so selten hier vom Hofe Botschaft erhal¬ ten und doch alle Ursach haben, dar¬ über im Laufenden zu sein, was hier vorgeht!“ Herr Gerung nickte zu diesen Worten Beifall. „Eben deshalb tat ich mein Bemer¬ ken,“ erwiderte er ruhig. „Es schwirren der fabelhaften Ge¬ rüchte so mancherlei über die Krank¬ heit unseres Herrn durch die Gaue, doch sagte mir der Pater Erasmus, der Klosterarzt von Garsten, erst heute früh, unser gnädiger Herr brauche Zerstreuung und eine Seele, der er sich anvertrauen 5 kann, dann wird's besser mit ihm, wenn er anderes zu tun hat, als in Steyr im Lehnstuhl zu sitzen und sich kränker zu fühlen, als er ist. Und so meint ich denn vorher, ein liebend Weib würde ihm die Kopfhängerei bald aus¬ treiben.“ „Das mag schon sein, wie ihr rech net,“ sagte Herr von Stubenberg nach¬ chön denklich, „aber da wir grad so was allein sind, sagt doch jetzt offen, fehlt denn eigentlich dem Herzog? Er bald ist nicht krank und nicht gesund, Ihr, lebhaft, bald niedergeschlagen. müßt der ihr immer um ihn seid, doch darüber Bescheid wissen?“ „Ich weiß nicht mehr, wie ihr, sagte Herr Gerung und zog die Augen¬ brauen zusammen, wie es seine Art war zu tun, wenn ihm etwas nicht paßte. „Der Herzog ist schwächlich von Geburt an, sagen die Aerzte, und mehr zu erfahren ist schwer. Doch hört, das Glockenzeichen, so jetzt ertönt: ruft mich sogleich zum Herrn. — Nichts für ungut, Herr von Stubenberg, daß ich euch nicht weiter Red' und Antwort stehen kann, und Gott befohlen!“ Er schüttelte dem Stubenberger flüch¬ tig die Hand und eilte fort. Kopf¬ schüttelnd sah ihm der Ritter nach, setzte den Helm auf und brummte im Ab¬ gehen mürrisch in sich hinein. „Dieses höfische Volk sagt nicht mehr, als es gerade will. — Hagel alle Welt der Herzog sah mir nicht darnach aus, als ob er noch an den Folgen einer Kinderkrankheit litte.“ Und halb ärgerlich über die Zu¬ geknöpftheit des alten Gerung und halb lachend über seine letzten Worte, die er als guten Scherz ansah, schritt der Herr von Stubenberg von dannen. Mittlerweile war Herr Gerung sachte in das Zimmer des Herzogs eingetreteen und blieb ehrerbietig an der Tür stehen, nachdem er diese mit jener bedächtigen Sorgfalt geschlossen hatte, die man im Verkehr mite kränklichen Leuten be¬ obachtet, und sah prüfend nach seinem

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