Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

10 kommen sei, was ihn verhindert — und ich fand keine haben könne Antwort! Ob er heute kommt? 19. Dezember, abends. Er war — mein Herz jubelte ihm zu! hier Ich flog ihm entgegen, doch ein rätselhafter Ausdruck in seinem Ge¬ — ich konnte sicht hielt mich zurück mein stürmisch bewegtes Innere ihm nicht offenbaren! Er war gut und — kühl! Er lieb zu mir, doch kühl versprach, morgen sicher zu kommen gestern war er unwohl. Dezember, am Morgen. 21. Gestern war er hier, doch ging er bald, er sagte, daß er heute früher als sonst auftreten müsse. Sonst kam er immer erst spät an die Reihe. Er ist einer der Glanzpunkte im Zirkus ich weiß das von anderen Leuten. Er blieb nicht einmal eine halbe Stunde und zeigte eine große Eil¬ ertigkeit, von mir fortzukommen. Was ist's nur, was mich mit so großem Bangen erfüllt? 21. Dezember, abends. Ich ahne etwas — und ich fürchte, ich fürchte, es ist Wahrheit, schreckliche Wahrheit Nachmittags ging ich zu Meil¬ bergs, um der kleinen Ella die Lehr¬ stunde in Französisch zu geben, und auf dem Nachhausewege blickte ich zu¬ fällig im Vorbeigehen auf eines der großen Plakate, die zum Zirkusbesuch einladen. Ich weiß nicht, warum ich stehen blieb und genauer hinsah, viel¬ leicht wollte ich in meiner Herzens¬ ehnsucht den Namen meines Gelieb¬ ten lesen, vielleicht — genug, ich tat es. Da standen alle die Namen, die ich früher schon gelesen und deren Träger ich schon ihre Künste voll¬ führen gesehen. Sie interessierten mich weiter nicht. Dann kam der Name John Pekwill und gleich dar¬ unter, groß und auffällig gedruckt: Auftreten der neu engagierten Tra¬ pezkünstlerin Miß Karolina Walfield. Ich spürte einen heftigen Stich im Herzen, als ich diesen Namen las, und doch war keine Veranlassung dazu vorhanden. Aber es ist etwas in mir, das mir sagt: Diese Miß Ka¬ rolina ist schuld an der Veränderung meines Lieblings! 22. Dezember, vormittags. Er kam gestern nicht und jetzt liegt ein Brief von ihm vor mir, in dem er mir mit¬ teilt, er könne auch heute nicht kom¬ men, er sei durch zwingende Gründe daran verhindert. Was für Gründe können das sein? Hat er mich nicht mehr lieb? Will er nicht mehr kom¬ men? — O mein Gott, sei barm¬ herzig mit mir — wenn er mich ver¬ gessen hätte — wenn er eine andere lieb hätte? Etwa diese Miß Karolina? 22., nachmittags. Es läßt mir keine Ruhe, ich muß sie kennen lernen, diese Miß! Muß sehen, ob sie schön ist oder —Ich fürchte, ich fürchte, sie nicht. hat mich verdrangt! Abends. ——Ich war dort — im Zirkus. Eine alte Frau vom Hause, wo ich wohne, nahm ich mit mir, da¬ mit ich nicht allein heimgehen mußte. Ich sah nichts von allem, was um mich herum geschah, meine Augen waren offen und doch sah ich nichts ich harrte mit allen Fibern auf ihn und — sie. Über mein Gesicht hatte ich einen dichten Schleier ge¬ knüpft, damit er mich nicht kennen sollte, wenn mich zufällig sein Blick — stolz, treifte. Zuerst kam er männlich, schön, gewandt und elegant — so in allen seinen Bewegungen aß er zu Pferde. Ich hätte zu ihm eilen mögen, mich an seine Brust wer¬ en und ihn um Verzeihung bitten mögen für alle meine Zweifel! „Ist es denn möglich, daß ich an dir zwei¬ feln, dich für treulos halten konnte?“ so rief es in mir und ich faßte den Vorsatz, zu gehen, sobald er sich ent¬ fernt habe —ohne diese Miß zu ehen. Doch es kam anders. Als John aus der Bahn sprengte, trat bereits der neue Stern, Miß Karolina, auf. Ich sah ein Augenblitzen von ihm zu

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