Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914

6 Die Türkise schwammen auf weißen „Warum gehst du nicht mit ihr?“ Ovalen, die immer größer wurden, „Ich glaube, sie geht lieber allein.“ und der Mund verlor die Linien Er fand, daß Inge noch sehr gut aber sie sagte das Wort nicht. Sie aussah, viel besser als die früh ver¬ ging nur einige zaghafte Schritte zu einer Kastenlade und zerrte etwas blühte Marianne, so gepflegt und un¬ auffällig vorteilhaft — wie Frauen, hervor; schmale, längliche Bücher — kam es ihm auber übereinandergeschichtet — die die „gefallen müssen“ — in den Sinn — und der Stachel fing allein durften reden. Und da stand's: Ziffer für Ziffer wieder an zu bohren. Es mußte irgend „ Zahl für Zahl — jede Einnahme etwas an die Oberflache, und so klagte gebucht und jede, auch die kleinste er über seine häuslichen Sorgen. Inge war nicht recht disponiert, die ewigen Ausgabe — keinem ergrauten Buch¬ Klagen aufzunehmen, und warf einige halter konnte es besser stimmen. Man Worte hin, die an seinen überspann¬ ah, wie ungewöhnlich ordnungslie¬ ten Nerven rissen und ihn verwirrten. bend die kleine, hübsche Frau v. Ma¬ — Und mit ein paar Sätzen hatte er reno immer gewesen war. alles herausgestoßen, was seit Stun¬ Nur in derselben Nacht ließ sie sich — Vielleicht den in ihm wühlte. die erste Nachlässigkeit zu Schulden war's doch nur häßlicher Klatsch, und kommen Inge konnte mit einem einzigen Worte Sie hatte vergessen, den Gashahn sich reinwaschen. zu schließen -IOI Die Geschichte einer Frau. Novellette von Fanny Kaltenhauser. (Nachdruck verboten.) (Alle Rechte vorbehalten.) Magdalena Bender war tiven Bewegung trat sie, tiefrot im S hatte ihr Mädchenname — Gesichte, etwas zur Seite. 2720l ihn eines Tages im Zirkus Er ward dadurch auf sie aufmerk¬ gesehen, oder vielmehr eines sam. In seinen Augen glühte etwas Abends — es war bei einer Vorstel¬ auf, als er in das feine, zarte Antlitz lung. Er war nämlich Kunstreiter. Magdalenens sah, etwas, das nicht Der schöne, elegant sich bewegende wie Liebe, nicht wie Leidenschaft, son¬ Mann machte einen tiefen Eindruck dern mehr wie Sehnsucht, die das auf ihr junges, unberührtes Herz. Heimweh aus den Augen leuchten Aber das war noch nicht Liebe. äßt, aussah. Erst als Magdalena zwei Tage darauf ihm in der Gemäldegalerie Im Mitleid über ihre Verlegen¬ begegnete, erst da wurde das Gefühl heit, die nur zu deutlich in ihrem Ge¬ sich für ihn zur Liebe. Sie stand eben vor sichte erkennbar war, wandte er □ einer Frühlingslandschaft, als für einige Augenblicke dem Bildezu „Mister John Pekwill“, so nannte und betrachtete es. Sie konnte sich in¬ er sich auf den Plakaten, herantrat, zwischen fassen. Nach einer Weile um das Gemälde ebenfalls zu be¬ wandte er sich wieder zu ihr und schauen. Sie erkannte ihn sogleich, sagte: „Ein stimmungsvolles Bild, und mit einer fast hastigen, instink¬ nicht wahr, Fräulein?

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