Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

30 die Tränen über das Gesicht und tiefes Schweigen herrschte eine Minute lang unter dem mächtigen Eindruck dieser rührenden Szene. Dann aber schmetterte plötzlich ein fröhlicher Marsch darein. „Hollah!“ rief der Totenhofer. „Habt's Recht, Musikanten, aufg’rebellt heut'! Blast's die neue fröhliche Zeit ein auf dem Totenhof! Os aber, liabe Freund' und Nachbarn, laßt 's euch 's gefallen heut' bei mir und seid's alle meine Gäst' — a guats Schlückerl Bier und Wein und eppas zum Zu¬ pitzen is scho herg'richt't!“ Und munter voranschreitend wies er den froh erstaunten Besuchern die fest¬ lichen Vorkehrungen, die er getroffen hatte. Vor dem Hause war eine Anzahl von Bänken und Tischen aus frischem Holz aufgeschlagen und schneeweißes — „wia bei a Hochzeit!“ Linnen — war darüber ge¬ meinte einer breitet; bunte Blumensträuße aber tanden darauf. Von ihrem erhöhten Sitz herunter bliesen die Dorfmusi¬ kanten in Sonntagsröcken und mit bebänderten Hüten darauf los, als wäre heut' Kirchweih, Ostern und Pfingsten zugleich. In der Ecke am Haus dort aber schlug der wilde auf Kaspar — wirklich „wie wild“ ein mächtiges Bierfaß ein. „An'zapft!“ rief er vergnügt. „An’zapft, Leuteln!“ „Aber wo bleibt denn d’ Wirtin?“ frug der Totenhofer und sah die alte Trandl fragend an. „Warum fehlt denn mei Töchterl und begrüßt unsere Gäste net? Dunkle Röte stieg in Tonis Gesicht, als er diese Worte vernahm, und seine Augen blitzten. Gleich darauf aber hob sich seine Brust empor, als könnte sie den Druck, der auf ihr lag, trotz aller Anstrengung nicht abwälzen und ein trutziger Zug kam in sein hübsches Gesicht. Traudl war geschäftig im Haus ver¬ schwunden und man hörte jetzt von innen ihr eifriges Zureden, ihr Betteln und Jammern. Aber es fruchtete nichts. Mit hilflos verlegener Miene, die Hände inemander geschlungen, kam sie allein wieder zurück. „Was wär' denn jatzt dös!“ sagte der Totenhofer unwillig und kraute sich unter dem Hute. Dann rief er laut: „Agerl!“ — Da öffnete sich die Tür langsam nur schwer dem Befehle des Vaters folgend — kam das Mädchen der Schwelle zugeschritten. Sie war toten¬ blaß im Gesicht und ihre Augen suchten den Boden. So — fast wie eine Traumwandelnde anzusehen ftieg sie die paar Stufen herunter, schritt auf den Bürgermeister zu, reichte ihm die Hand und sagte leise, tonlos, mit mühsamer Fassung: „Grüß Gott bei'nand'! „Hm, Dirndl!“ meinte der Bürger¬ meister kopfschüttelnd. „Schaugst aber net recht glückli aus dabei! Bist no net ganz wohl auf oder paßt dir unser B'such net recht? Sag's frisch weg von der Leber — na genga ma wieder. Er hatte die letzten Worte mit einem leichten Anflug von Scherz gesprochen. Beschämt blickte das Mädchen zu ihm empor. „Wie könnt's so was denken! Is ja a Ehr' für uns! Ihr Auge hatte dabei unwillkürlich den gestreift, der da halb abgewendet neben seinem Vater stand, und im elben Moment durchzitterte es ihre ganze Gestalt. Sie atmete ein paar Male heftig und zog die Hand rasch zurück. „Ah so!“ rief der Bürge meister. „Jatzt versteh' i! Der da scheniert di!“ „So is der Mensch schon amal“, setzte er hinzu und wandte sich an den Totenhofer, „er denkt nur an seine eigenen sieben Sachen und moant, wann die in Ordnung san, wär' alles wieder gut! D’rüber hab'n ma ganz vergessen, daß die zwoa Leuteln a was eigen's mit anander ausz'kochen hab'n! Hast recht, Dirndl — der Toni hat dir viel abz'bitten — die ganze Schand', die er dir mit Unrecht antan hat beim Sonnwendfeier drunten!“

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