Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

26 „Kaspar“, flüsterte ihm der Toten¬ hofer zu, „'s Eisen steckt noch in der Wunde — er verbluat't sich, wann wir's net 'rausbringen und d’ Brust chließen können — du bist a halber Doktor und hast a g’schickte Hand hilf und der Himmel wird uns mit helfen! Der Riese hatte Hut und Loden¬ mantel zu Boden geworfen und ließ rasch die Joppe folgen. Dann wandten sie sich beide dem Verwundeten zu. Wie ein geschickter Gehilfe ging dabei der Totenhofer dem Bärtigen an die Hand und legte und hielt den Kranken so, wie dieser es brauchte, während der selbst ein kleines ärztliches Besteck aus seiner Messertasche zog und damit mit einem Geschick hantierte, das auf übung hinwies. Jetzt beugten sich die beiden in voller Spannung über den Körper des Ver¬ wundeten. „Zitter' net!“ flüsterte der Toten¬ hofer. „Mir is's, als hätten wir das Unheil vom Totenhof beim Kragen und müßten's endlich amal aus¬ reißen!“ Ein jähes Zucken ging durch den Leib des Kranken. „Jessas!“ rief die Bäuerin und schlug die Hände zusammen. „Sie haben ihn um'bracht!“ schrie der Bader, und es klang wie Triumph aus seiner Stimme. Da aber drehte sich der Bärtige rasch um und wies ihnen etwas Blinkendes, das er mit der Zange hielt. „Dös is die Messerspitz'!“ sagte er schwer atmend. „Jatzt kann er davon kommen, wenn Gott will!“ Da fiel die Bäuerin auf die Knie nieder und umfaßte den Retter. „Wer bist denn? Wie kann i dir denn danken? Wie a Engel bist vom Himmel runterg'stiegen zu uns und hast uns g’holfen!“ schluchzte sie. Wie lange, wie lange, daß er keine solch' freundlichen, dankbaren, wohl¬ tuenden Worte mehr gehört hatte Wohl seit dem Mutterworte nicht mehr in der Jugendzeit! Er beugte sich tief, um die Tränen zu verbergen, die in seinem struppigen Barte verschwanden, und sagte: „Steh auf Muatterl .— dort is der, der 7 hilft, da bet': Währenddem hatte der andere bereits kunstgerecht einen Verband um die Wunde gelegt, deren Blutung jetzt ge stillt war. „Geh, sagts mir, wer ihr seid!“ drängte die Bäuerin wieder und er faßte die Hände der beiden Männer. „I laß enk nimmer fort und wenn i G’walt anwenden muß, eh' i enk kenn' und eure Wohltat vergolten hab', so weit's in meiner Kraft steht!“ Im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür und der Bürgermeister trat ein. „Totenhofer!“ sagte er. „Komm' rüber! „Totenhofer!“ flüsterten die in der Stube und sahen wie einem Gespenste dem nach, der rasch das Zimmer ver¬ lassen hatte, wobei ihm die vom Moos¬ grundner noch gar nicht wahrgenom¬ mene Riesengestalt folgte. „Wir haben beschlossen“, sagte der Bürgermeister feierlich in der Gemeinde¬ ratsstube, „daß wir dir deinen Beweis zulassen wollen — aber flunker' net wann du net 's Unmögliche kannst und Tote wieder aufwecken — nachher wird's dir schwerli gelingen!“ „I will's beweisen!“ sagte der Totenhofer. entgegnete der Moos¬ „Gut!“ grundner. „So sag' mir, wo is dein Bruder, der wilde Kaspar, der vor fünf¬ undzwanzig Jahr' verschwunden is?“ „Da is er!“ antwortete eine mäch¬ tige Stimme, und mit entschlossenem, fast heiterem Gesicht trat der bärtige Riese bei der Tür herein und vor die Versammlung. „Steh'n denn wirklich die Toten auf?“ rief der Bergwirt und schlug vom Staunen überwältigt die Hände übereinander. „Ja, ja, er is's,“ rief

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