Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912

4 Möglichkeit des Todes ihres Geliebten niederbeugte. „Nennt mir ihn!“ drängte der Zu¬ rückgesetzte heftiger und ein tückisches Lächeln spielte um seinen Mund. Erlaßt mir die Antwort, Herr 2 Oberst!“ bat die Jungfrau, noch immer weinend, „ist er tot, so „Nennt mir den Namen! Ich will, ich muß ihn wissen!" fuhr jener leiden¬ schaftlicher und in beinahe drohendem Tone fort. Da richtete sich das Mädchen plötzlich in die Höhe, trocknete ihre Tränen, sah den Fremden zürnend an, entriß ihm durch eine rasche Bewegung ihre Hand, die er bisher noch immer festgehalten, und eilte mit der Schnelligkeit der Gazelle, die vor dem Panther flieht, in einen dichten Laubgang. Die Nacht be¬ günstigte ihre Flucht, und der Unge¬ stüme stand endlich fluchend von seiner Verfolgung ab, da eben Johannes Beyer, der Stadtrichter von Naum¬ burg, mit einem Diener, der ein Wind¬ licht trug, aus dem Hause in den Garten trat. Verwundert sah der Stadtrichter auf den späten schwedischen Gast, der grol¬ lend ihm entgegentrat und Herberge für die Nacht begehrte. Johannes ahnte nichts Gutes. „Saht Ihr nicht meine Tochter, Herr Oberst?“ fragte der Besorgte endlich den Machthaber, nachdem er ihn scheu begrüßt und ihm das Nachtlager zu¬ gesagt hatte. „Was kümmert mich das Mädchen!“ murrte der Befragte und folgte finster seinem Wirt in das gastliche Haus * * : Kaum hatte die Nachtluft des Ober¬ sten klirrende Tritte verweht, so trat auch Klara wieder aus ihrem Verstecke zu der Fliederlaube und ließ das seh¬ nende Auge hinüberschweifen über die Saale nach den rotglühenden Ebenen von Lützen. „Tot, tot!“ klagte sie in leisem, rührendem Tone, und matt sank das braune Lockenhaupt auf den wogenden Busen herab. — „Tot, tot, sonst wär' er hier! — Schrecklich! Axel fern und der Wüterich in der Nähe!“ Sie war von neuem auf die Stein¬ bank in der Laube niedergesunken, stützte wehmütig das Haupt in die Hand und dachte an Axel mit schmerz¬ licher Lust. — Da zuckte sie plötzlich zu¬ sammen. War es nicht, als ob die Wel¬ len der Saale lauter rauschten? Atemlos sah sie hin auf den Wasser¬ — da — was war spiegel des Stromes das? Ein dunkler Punkt auf der glän¬ — er bewegte sich nach zenden Fläche ihr zu, aber kein Kahn war es — es war ein blondgelocktes Männerhaupt, das höher bald, bald tiefer über dem — es war ein Schwim¬ Wasser schwebte mer, der schon das Ufer erreichte. In zagender Erwartung drückte sie sich fest in die Ecke der Laube, bog leise die Zweige auseinander, lugte durch die Blätter und wagte nicht zu atmen, aus Furcht, der Nahende sei ein Feind. Jetzt sprang der Schwimmer an das Land und schüttelte das Wasser von den triefenden Kleidern. Da steckte der Mond sein silberglänzendes Haupt durch den zerrissenen Trauermantel der Nacht — und „Axel, Axel!“ jauchzte die Jungfrau, stürzte aus der bergen¬ den Laube in freudiger Hast hervor und warf sich dem Geliebten an die Brust. „Klara, du hier?“ rief der Über¬ raschte und wehrte ihr, ihn zu umfan¬ gen, und sagte: „Nicht doch, mein Mäd¬ chen, du durchnäßt dich! Die Fluten 77 sind kalt „Aber das Herz ist warm!“ unter¬ brach sie ihn mit Innigkeit und preßte nur heftiger, zärtlicher den Geliebten an die hochklopfende Brust. Sprachlos ruhten die Seligen ein¬ ander in den Armen. „Aber Axel!“ rief Klara endlich im Tone des zärtlichen Vorwurfs und führte den schlanken Jüngling nach der Laube, „wie kannst du dein Leben den wilden Wogen anvertrauen? „Wie ich das kann?“ erwiderte er

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