Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

nen Auges auf, er erschloß ihr eine ganze Welt, sie wußte jetzt, des Pfar¬ rers Gattin konnte sie nie werden. Wie ein buntgestickter Teppich brei¬ tete sich die grüne Wiese am Fuße des Hügels aus. Die kleinen, blauen Glockenblumen wiegten sich im Mor¬ genwind auf ihren schlanken Stengeln, Maßliebchen und Gänseblümchen wett¬ eiferten mit den goldglänzenden But¬ terblümchen im Entfalten ihrer zarten D G Blüten. Bunte Schmetterlinge flogen von einer Blume zur anderen, um zu nippen von dem köstlichen, süßen In¬ halte der taufrischen Pflanzenwelt. Martha saß unter dem Nußbaume, der seine Blätter schützend über sie legte, um sie vor den heißen Sönnen¬ strahlen zu schützen. Es war noch früh am Morgen. An zeitiges Aufstehen ge¬ wöhnt, benutzte Martha die frühe Morgenstunde, wo der Vater, der schon um fünf Uhr in den Wald ging, vom 29 Hause abwesend war und Tante Bri¬ gitte im Hause tüchtig wirtschaftete um hier, auf ihrem geliebten Plätzchen unter dem grünen Nußbaum ein Stündchen zu lesen und zu — träumen. Zur bestimmten Stunde war sie dann zu Hause, wo der Kaffee getrunken wurde, an schönen Tagen im Gärtchen des Försterhauses, in der grünen Geis¬ blattlaube. Martha sann und träumte, Arbeit und Buch ruhten in ihrem □ S 22 Schoß. Ihre Blicke hingen sehnsuchts¬ voll an den Fenstern des Schlosses, die im hellen Sonnenschein aus kurzer Entfernung wie lauter Gold blitzten. Dort weilten ihre Gedanken, dort, wo ie ihn wußte, dem sie ihr Herz ge¬ schenkt vom ersten Augenblick an, da ihre Augen ihn geschaut. Täglich war ie ihm jetzt begegnet. War es Zufall war es Absicht, daß er stets den Weg am Försterhaus vorbeinahm, wenn er ritt oder fuhr? Es war kein Zufall,

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