Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

74 Königs Friedrich von Dänemark. Von den hier erwähnten Fürstenbesuchen kam den Besuchen der Könige von England und Rumänien sowie des Fürsten von Bulgarien auch eine hervor¬ ragende politische Bedeutung zu. Die auswärtige Politik Oesterreichs bewegte sich in der Berichtsperiode wieder in den ge¬ wohnten Bahnen. Der Dreibund bildete nach wie vor eine der festesten Grundsäulen des europäi¬ schen Friedens. Dieser Bund hat durch wieder¬ holte Zusammenkünfte und Besprechungen ein¬ zelner, die auswärtige Politik der verbündeten Staaten leitender Staatsmänner eine neuer¬ liche Befestigung erfahren. Was die Beziehungen zwischen unserer Monarchie und dem benach¬ barten Serbien anbelangt, so haben wir schon im Vorjahr angedeutet, daß die Schwierigkeiten, welche aus dem Konflikt zwischen dem kleinen, unruhigen Balkanstaat und Oesterreich=Ungarn dem damals am Ruder befindlichen Kabinett Pasië selbst wiederholt erwachsen waren, dieses Kabinett denn doch veranlaßt zu haben schienen, endlich ernstlich nach einem für beide Teile akzep¬ tablen Modus vivendi zu suchen, da ohne dessen Erzielung schließlich wohl die schweren wirtschaftlichen Folgen, welche aus dem Konflikt mit dem großen Nachbarreiche dem kleinen und in seinem Viehexport wesentlich auf unsere Mon¬ archie angewiesenen Serbien bereits damals er¬ wachsen waren und wohl noch weiter erwachsen würden, den Sturz des Kabinetts Pasié herbei¬ führen müßten. Wie recht wir gehabt, beweist der Umstand, daß bald nach Abschluß unserer letzten Berichtsperiode die Handelsvertragsverhandlun¬ gen mit Oesterreich=Ungarn wieder so energisch aufgenommen wurden, daß endlich am 13. Fe¬ bruar 1908 — nach Verhandlungen, die sich — durch mehr als zwei Jahre hinschleppten eine vollständige Einigung in allen Punkten er¬ zielt werden konnte. Der Vertrag, welcher einen Tarifvertrag mit einer Meistbegünstigungsklausel wie seine Vorgänger der Jahre 1881 und 1892 —darstellt, aber besser als diese alle Merk¬ male der Abwägung der österreichisch=ungari¬ schen Konzessionen gegen jene Serbiens zur Schau trägt, wurde am 14. März 1908 unter¬ zeichnet. Was die Aktivierung des Vertrages betrifft, so ist der 1. Jänner 1909 als Geltungs¬ beginn angenommen, jedoch im Text auch ein Inkrafttreten vor diesem Termin vorgesehen worden. Diese Tat konnte aber den Niedergang des Ministeriums Pasië nicht mehr aufhalten. Gedrängt von der obstruierenden Opposition und durch den Ausfall der jüngsten Wahlen über seinen geringen Halt im Volke belehrt, mußte am Schlusse unserer Berichtsperiode das Mini¬ terium Pasié seine Demission geben, welche vom König auch angenommen wurde und seltsamer¬ weise bildet nun gerade der von den Regierun¬ gen beider Staaten abgeschlossene Handelsvertrag ein Hindernis zur Lösung der serbischen Minister¬ krise, da der Umstand, daß die Opposition nur gegen Erfüllung gewisser innerpolitischer Bedin¬ gungen die Erledigung des Handelsvertrages zulassen will, die Bildung einer Art Versöhnungs¬ ministerium, in welchem neben unbedingten An¬ hängern Pasié auch Vertreter der gegen ihn gerichteten Opposition sitzen sollen, bis zum Schluß unseres Berichtes unmöglich gemacht hat. Das Verhältnis zwischen den beiden Teilen unserer dualistischen Monarchie hat nun endlich die erwünschte Klärung erhalten. Zunächst ge¬ lang es am 5. Oktober 1907 den Regierungen Cis= und Transleithaniens, sich über die haupt¬ sächlichsten Differenzpunkte der Ausgleichsver¬ handlungen grundsätzlich zu einigen, und am 16. Oktober 1907 bereits konnten dann in den beiderseitigen Parlamenten die Ausgleichsvor¬ agen eingebracht werden. Diese Voxlagen waren, was das österreichische Parlament betrifft — wir folgen hier dem Kommentar der cisleithani¬ schen Regierung — zum Teile solche, die den Inhalt formeller Gesetze bilden sollten, zum Teile Durchführungsbestimmungen, welche die Regierungen im eigenen Wirkungskreise verein¬ baren konnten und nur deshalb den gesetzgeben¬ den Körperschaften zur Kenntnis gebracht wurden, um ein Urteil über den Gesamtinhalt der ge¬ troffenen Vereinbarungen zu ermöglichen. Die eigentlichen Gesetzesvorlagen umfaßten: 1. Den Entwurf des Gesetzes, womit I. der Vertrag, betreffend die Regelung der wechselseitigen Handels= und Verkehrsbeziehungen zwischen den im Reichsrat vertretenen König¬ reichen und Ländern und den Ländern der un¬ garischen Krone nebst Anlagen und Schlu߬ protokoll; II. das Uebereinkommen über die Vermeidung von Doppelbesteuerungen solcher Unternehmun¬ gen, die ihren Geschäftsbetrieb auf beide Staaten ausdehnen sowie über einige andere Angelegen¬ heiten der direkten Besteuerung;

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