Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

Die Geiger. Von H. v. Bülow. (Nachdruck verboten.) 20 nehmen unsere Geigen und machen eine ie hatten ihr Zusammenspiel Tour in Holland, als einfache Geiger, beendet und setzten sich jetzt ∆ leben von der Hand in den Mund, von zu einem gemütlichen Abend¬ dem, was unser Fideln einbringt. Was essen an ein mit zwei Kuverts meinst du dazu, Freund?“ besetztes Tischchen. Der Diener schenkte „Famos, famos“, rief Zillich. „Das ein und verließ auf ein Zeichen seines ist eine herrliche Idee, Bester. Denke doch; Herrn das Zimmer. die beiden Oberleutnants Marr und „Wo wirst du deinen Urlaub verleben, Zillich vom 2. Garderegiment zu Fuß Wolf?“ fragte jetzt der eine der beiden gehen als fahrende Musikanten auf einige Herren, ein junger, schöner Mann mit Wochen nach Holland, um sich ihren Un¬ blondem Haar und Vollbart, einen eben¬ terhalt zu verdienen“, rief er mit froher falls noch jungen brünetten Mann, mit Miene, indem sein Auge vor Uebermut feinem, klugen Angesicht, dem der Schalk strahlte und er in lautes „Lachen aus¬ und der Mutwille aus den blitzenden brach. Augen sprach. „Aber erst muß ich nach S., um meine meinte der An¬ „Ich weiß noch nicht, Mutter und Schwester zu sehen, wo geredete, der Oberleutnant Zillich vom treffen wir uns dann?“ fragte Zillich 2. Garderegiment zu Fuß, „meine Mutter O „Ich fahre mit nach S.“, antwortete ist mit meiner Schwester zur Cousine Marr, indem sich sein offenes, männliches Dorthin gedenke ich zuerst zu reisen, um Gesicht tief rötete — interessierte er sich sie auf einige Tage zu besuchen. Mich aber doch seit vorigem Jahr für Zillichs die ganze Zeit meines Urlaubs in das Schwester, die hübsche Annemarie, ohne langweilige Nest zu setzen, das ist zu viel daß sein Freund es wußte und er wollte verlangt, das kann ich nicht. Ich möchte es sich, wo ihm die Gelegenheit so günstig, dann etwas „Besonderes“ tun, ich denke nicht nehmen lassen, sie wiederzusehen. schon immer darüber nach, weiß nur noch Gesagt, getan. Die beiden Freunde nicht recht, was. Und du Horst? Du reichten ihr Urlaubsgesuch ein, es wurde nimmst dir ja auch jetzt Urlaub, wie di bewilligt und fröhlich dampften sie mit mir neulich sagtest. Wir könnten eigent¬ ihren Handkoffern und ihren Violinkaster lich zusammen etwas unternehmen, denke nach dem Seebade S., verlebten dort mit über etwas nach, alter Freund, und Zillichs Mutter und Schwester acht ge¬ komm' mit mir. nußreiche Tage, um dann, wie sie allen Der Angeredete, Oberleutnant Marr zu sagten — eine Reise nach Holland von demselben Regiment, sah nachdenk¬ machen. lich in das vor ihm stehende Glas, setzte Spät abends kamen sie in dem kleinen es an die Lippen, tat langsam schlürfend die holländischen Grenzstädtchen an einige Schlucke, setzte es wieder hin, dann Pässe wurden nachgesehen und in Ord¬ schlug er mit der Hand auf den Tisch und □ ie nung befunden, dann übernachteten rief: „Ich hab's, ja, das tun wir, das in um ihre Rolle würdig anzutreten wird ein Kapitalspaß, alter Junge. einem der kleinsten, unscheinbarsten Gast¬ Lachend und vergnügt rieb er sich die im häuser. Sie waren ja in Holland, Hände, ob der guten Idee, die ihm ge¬ es Lande der Reinlichkeit, da konnten sie kommen. schon riskieren. Des anderen Tages „Na, was ist's denn, so rede doch, machten sie Toilette für ihre Tournee, sie Horst“ drängte Zillich. zogen die alten, abgeschabten Fracks an, Marr bog sich vor, nachdem er sich ver¬ die sie einem Berliner Verleihgeschäft gewissert, daß sie allein und sagte: „Wir

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