Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

wo Rupprecht nun wieder stand, um neugierige Gaffer aus dem Hörkreise der Linde fern zu halten, blieb der Chan vor Rupprecht, der wie eine Säule unbeweg¬ lich blieb, stehen, wandte sich zu seinen Begleitern und auf sein kurzes Schwert weisend, sagte er: „Ich sah es wohl, daß ihr erstaunt waret, mich, als einen Geisel in der Franken Hände, eine Waffe tragen zu ehen. Das ist erst seit heute so; dieser Franke hat mir sein eigenes Schwert ge¬ geben und ich war sehr erfreut darob. Dein Schwert hat mir rasch Glück ge¬ — ich danke dir, mein Waffen¬ bracht bruder!“ Und er reichte Rupprecht die Hand und schritt dann weiter, hinter ihm die Großen der Avaren, jeder im Vorbei¬ schreiten sich vor dem Waffenbruder ihres Chans ehrerbietig verneigend. Rupprecht wußte gar nicht wie ihm geschah, die Ereignisse hatten sich so über¬ stürzt, daß die meisten in der Ansiedelung, onst flink in der Rede, die Sprache erst wieder fanden, als sie alle in ihren Be¬ hausungen waren. Nur Retas Zünglein war nicht in Aufregung und Ehrfurcht vor dem neuen Chan der Avaren erstarrt und lachend sagte sie, als Rupprecht ihr „gute Nacht“ chte, zu ihm: bün „Wir haben uns alle heute die Ruhe sehr verdient — hoffentlich bist du gar morgen nicht schon stolz geworden und denkst noch an mich, du Waffenbruder eines Avarenchans, du!“ Sicherlich“, erwiderte Rupprecht so lustig, „wenn auch nicht an dich, denke ich doch sicherlich an die Pflege¬ mutter von des Avarenchans kleinen — Brummbären „Was dich beileibe nicht dazu ver¬ leiten soll, dereinst auch ein Brummbär zu werden, wie es hier bei uns „unterm Stein in Menge gibt“, sagte Reta schlag¬ fertig darauf, und die beiden jungen Menschenkinder, deren Speiche im Lebens¬ rade auch in aufstrebender Richtung war, schieden für heute mit fröhlichem Lachen. Am andern Morgen hatte Graf 109 Werinhar seinen in strammen Reihen aufgestellten Reitern und den in Fest¬ agskleidern hiezu erschienenen Ansiedlern auf der Lichtung draußen in feierlicher Weise den Entschluß Kaiser Karls kund¬ getan, Zauch und Thudun als Chane der Avaren im Lande rechts der Donau von Passau bis Hainburg anzuerkennen und für Franken und Avaren Regensburg als Stapelplatz für den Handel im Avaren¬ land und Lorch als solchen für die am linken Donauufer wohnenden Slawen zu bestimmen, und Pipin angewiesen, dem abwesenden Vogte der Siedelung „unterm Stein“ davon Mitteilung zu machen. Hierauf hatten die Ansiedler den neuen, nun mit fürstlichem Prunke angetanen Chan mit herzlichem Zuruf begrüßt und der war sodann zu Pipin hingetreten und hatte ihm mit kräftigem Handschlag für eine „Verpflegung gedankt, und als er Rupprecht gewahrte, diesen umarmt und ihm dabei in herzlicher Weise gesagt: „Mein Waffenbruder, hier trennen sich unsere Wege, aber nicht für immer so du eines Rates und einer Hilfe be¬ darfst — Zauch, der Chan der Avaren, gewährt sie dir mögest du dich meiner dann erinnern!“ Hierauf trat er zur Gruppe der Frauen und Mädchen hin, vor die er¬ rötende Reta, und meinte, halb zu ihr, halb zu Graf Werinhar gewendet, mit einem Lächeln: „Ich lasse hier ein Eigentum in sicherer — mein Bärlein! Ich hole Hut zurück mir den Bären, Reta, merk das wohl, aber wenn ich um den Bären komme“ er wandte sich zu Pipin, der hinter Graf — „komme ich als Freier Werinhar stand zu dir um Retas Hand für meinen Waffenbruder! Gott mit euch!“ Niemand sah das Erröten Retas, die Verblüffung Pipins und die helle Röte auf dem Gesichte Rupprechts, denn der avarische Knecht hatte seinem Herrn auf dessen Wink auch schon den feurigen Fuchs herbeigeführt, der Chan sich leicht und beweglich hinauf auf das herrliche Tier geschwungen und Graf Werinhar und Zauch, der Chan der Avaren, ritten für¬

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