Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

106 Ehre an, kommen wir zu ihm, ist er unser Herr, so kommt er nicht zu uns seinen, wenn auch freien, so doch Dienern Wir kennen deine Güte, Graf Werinhar die du bislang so oft uns bewiesen, be¬ währe sie noch einmal, lasse du ihn zu dir kommen, noch ist er dein Geisel, deinem Rufe wird er folgen — wirst du das tun wollen? „Warum nicht“, zuckte Graf Werinhar gleichmütig die breiten Schultern und wandte sich an Pipin „Holt mir euren Avaren her, ohne ihm aber vorher zu sagen, daß hohe Würdenträger seines Volkes da sind und um was es sich handelt — ich, der Grenz¬ gra' will mit ihm reden! Und während Pipin diesem Auftrage nachkam und zum Turm hinaufeilte, um beim Stein droben den Avaren zu suchen verabredeten Graf Werinhar und die Avaren, um was der erstere den angeb¬ lichen Zauch zu fragen habe, und Batbay, der Führer der Gesandtschaft, gab dem Grafen dabei ein kleines Päckchen, das Werinhar zustimmend nickend in Empfang nahm, worauf die Avaren sich ins Lager hinausbegaben. IV. Mittlerweile war es ganz dunkel ge¬ worden in der Stube, draußen schien aber bereits der Mond in silberhellem Lichte und der Grenzgraf begab sich in den großen Hof hinaus und setzte sich in den steinernen Stuhl unter der großen Linde, so mitten im Hofe stand und unter welcher er gern Gericht hielt, kam er hieher Kaum hatte er es sich ruhlich gemacht als Pipin mit dem Avaren aus dem Schattendunkel der rückwärtigen Ge¬ höfte trat und mit ihm auf den Grenz¬ grafen zuschritt, von dem Rupprecht die einzelnen Gaffer in weiten Umkreis hinaus¬ gebannt hatte. Der Avare grüßte den Grenzgrafen nur mit stolzem Nicken seines Hauptes und blieb etliche Schritte vor ihm stehen, dessen Anrede erwartend Graf Werinhar, das Kinn auf den glatten Knauf seines gewaltigen Schwertes gestützt, die Hände auf dem Griffe desselben haltend, betrachtete einige Augenblicke sinnend den Avaren und schien sich auf etwas erinnern zu wollen, denn er strick etlichemale mit der Rechten leicht über die hohe, von den Jahren und dem Wetter bereits gefurchte Stirne. Plötzlich kam es über sein bärtiges Antlitz wie eine Er¬ kenntnis er hob den Kopf und den Avarer durchforschend anblickend, fragte er ruhig: „Du heißt also Zauch? Der Avare nickte nur, er schien keine Lust zum Sprechen zu haben. „Schön“, sagte der Grenzgrafso eigentümlich im Ton, daß der Avareihn blitzartig rasch beobachtend ansah, „dein Volk sitzt da unten, von Medelikke gen Fabiana*), nicht? Wieder erfolgte nur ein kurzes Nicken als Antwort „Ihr habt vor so drei Jahren Todicha verbrannt und seid uns dort im harten Kampfe gegenüber gestanden, ist es so, Freund Zauch? Abermals nickte der Avare nur „Mitteilsam bist du just nicht“, sagte der Grenzgraf nun mit leichtem Spott, „macht aber nichts, Freund Zauch, reden will jetzt ich und es freut mich, daß ich noch reden kann, was nicht deine Schuld oder dein Verdienst ist, denn du hast es damals nach Kriegesart ehrlich mit mir gemeint“, und als der Avare ihn fragend ansah, fuhr Graf Werinhar lebhaft fort: „Gottes Blitz, es freut mich in dir jenen zu erkennen, dessen Schwert mir damals bei Todicha fast den Schädel zertrümmert hätte, so mich nicht dessen krumme Spitze sondern die gerade Mitte desselben ge¬ troffen! So aber wurde aus dem Hieb ein Schnitt, allerdings ein gewaltiger sieh her!“ Und er nahm die Sturmhaube ab und wies auf eine lange wulstige Narbe auf seinem ziemlich kahlen Schädel, be¬ deckte wieder das Haupt und sagte in seiner rauhen, hastigen Weise: „Ja, Freund Zauch, ich erkenne dich jetzt recht sicher — dein gewandter Arm ) Melk und Wien, heute.

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