Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

14 bracht, konnte jeden Augenblick noch das Unheil erfolgen, das sie hatte abwenden wollen. So folgte sie denn ohne ein weite¬ res Wort der Widerrede dem voran¬ humpelnden Peter in den an das Haus grenzenden Stall und half ihm, das Pferd anschirren. Die Arbeit an sich war ihr nicht ungewohnt, aber ihre Hände waren eiskalt und zitterten, so daß sie kaum die Riemen zu schnallen vermochte „Eins möchte ich nur wissen,“ hob Peter ingrimmig an, während er das Ge¬ sicht verzog bei dem Schmerz, den ihm die Bewegung verursachte, „wer Fritz ge¬ sagt hat — ich meine, wie Fritz darauf kommt, daß ich seinem Alten die Bienen vergiftet haben soll. Sag' mir das, Dore und du sollst sehen, wie erkenntlich ich sein werde. „Davon weiß ich nichts!“ versetzte Dore entschieden. „Du magst mir's glauben oder nicht, ich habe keine Ahnung, wie Fritz hinter die Wahrheit,“ sie betonte das letzte Wort mit einem Ausdruck zornigen Verachtung, „gekommen ist. Daß ich den Angeber machen sollte, wirst du selbst nicht von mir glauben, Peter!“ „Bring' ich's aber heraus,“ sagte er tückisch, „so wird Peter Nettelmeier dem¬ selbigen, der ihn angegeben hat, einen Denkzettel schreiben, daß er ihn sein Lebenlang im Gedächtnis behalten soll.“ Das Wägelchen war jetzt angeschirrt; Peter wollte dem Mädchen noch ein Wort des Dankes sagen, sie aber wehrte mit einer Geberde unverkennbaren Wider¬ willens dasselbe ab und eilte dann, so hastig sie konnte, die Dorfgasse hinunter. Es kümmerte sie jetzt nicht mehr, was etwa die Leute denken, ob die Nachbarn sich verwundern würden; ihr galt es jetzt nur, Fritz so rasch wie möglich aus seiner Ge¬ fangenschaft zu befreien. „Fritz, sagte sie zaghaft. Seine Ge¬ stalt trat über die Schwelle, straff auf¬ gerichtet; trotz der bereits stark vorgeschrit¬ tenen Dunkelheit konnte sie erkennen, daß sein Gesicht von leichenhafter Blässe war. „Fritz!“ wiederholte sie noch einmal bit¬ tend und faßte seine Hand. Er zog sie zurück. „Geh' aus dem Weg!“ sagte er mit fremder, gänzlich veränderter Stimme. „Du weißt doch, daß wir beide von Stund' an nichts miteinander zu schaffen haben?“ „Das kann dein letztes Wort nicht sein, Fritz!“ bat das arme Mädchen, die gefalteten Hände in die Höhe hebend. „Das ist mein letztes Wort! Ich müßte ein elender Kerl sein, hätte ich noch ein anderes für dich. Geh' meinetwegen immer und wirf dich Peter Nettelmeier an den Hals — ich hab’ nichts dagegen! Das war zu viel! Ein Gefühl von Stolz und Zorn, wie sie das bis dahin nie in ihrem Leben emp¬ funden, übermannte sie „Wenn du so denkst, dann sind wir freilich geschiedene Leute!“ sagte sie plötzlich ganz ruhig. „Es handelt eben jeder, wie er's vor sich selbst und vor dem lieben Gott verantworten kann. Und wenn die ganze Welt mir unrecht gäbe mein eigen Gewissen gibt mir recht und was für mich selber daraus kommt, will ich tragen. Damit schritt sie dem Hause zu und Fritz, ohne ihr nur noch einen Blick nach¬ zusenden, machte sich auf den Weg nack seiner Eltern Wohnung. Daß er seinen Feind jetzt vergebens suchen würde wußte er nur zu wohl. Peter in seiner Feigheit hatte sich Dorens Warnung jedenfalls auf der Stelle zu nutze ge¬ macht, um sich in Sicherheit zu bringen. Am andern Morgen in aller Früh hatte Fritz Jentzen mit einem Dutzend anderer Leute aus dem Dorfe und seiner Umgegend die Wanderung in die Kreis¬ stadt angetreten. Die Nachbarn meinten, er müsse sich doch immer noch recht schlecht fühlen, denn er habe so bleich und hinfällig aus¬ gesehen, daß es einen ordentlich habe jammern müssen. * * * Im Dorfe erfuhr man bald, daß des jungen Mannes Verspruch mit Dore Alt¬ mann aufgehoben sei. Die letztere selbst hatte sich zwar mit keiner Silbe darüber

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