Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

33 *Fürchterliche Gesellschaft. (Nachdruck verboten.) Erzählung von Amelia 2. Edwards. Sch bin ein geborener Franzose taben T. F. gezeichnet. Auf einer Mes¬ 7 namens François Thierry. ingplatte an der Mütze stand die Zahl 70 Mit meiner früheren Ge¬ M 207. Von jenem Augenblicke an verlor schichte brauche ich Sie nicht ich meine Individualität. Ich war nicht zu langweilen. Genug, ich beging ein poli¬ Num¬ mehr François Thierry, sondern tisches Verbrechen — wurde zur Ga¬ Ober¬ mero Zweihundert und sieben. Der eerenstrafe verurteilt und lebe deshalb aufseher, der dabei stand, sprach, seinen noch heute in der Verbannung. Ich könnte langen Schnurrbart drehend: „Nur zu, Ihnen sogar das Brandmal auf meiner beeile dich, es wird spät, und du mußt Schulter zeigen noch vor dem Abendessen verheiratet In Paris wurde ich gefangen genom¬ ein.“ men, verhört und verurteilt. Als ich den „Verheiratet!“ wiederholte ich. Gerichtshof verließ, gellte mir mein Ur¬ sein Der Oberaufseher lachte, und * — teil noch in den Ohren, und unablassig Lachen fand bei den Wachen und Ge¬ wiederholten es die rasselnden Räder des fängniswärtern ein Echo. Wagens von Paris bis Bicêtre, und auch Jetzt ging's einen anderen steinernen den nächsten Tag und den darauf fol¬ Gang hinunter durch einen zweiten Hof genden und so immerfort auf der ganzen und in eine düstere Halle, die der vorigen ermüdenden Reise von Bicêtre nach Tou¬ genau glich, nur war sie von unsauberen lon. Die unerwartete Strenge meiner Gestalten und dem Getöse rasselnder Verurteilung muß mich vollständig be¬ Ketten erfüllt, und an jedem Ende sah täubt haben, denn ich habe weder von der man durch eine Maueröffnung in den Reise noch von den Orten, wo wir raste¬ finsteren Schlund einer Kanone. ten, irgend eine Erinnerung — ich hörte „Holt Nummero Zweihundert und nichts, als die ewige Wiederholung des sechs,“ sagte der Oberaufseher, „und ruft Ausspruches: „Traveaux forcés — den „Priester.“ tra veaux forcés — traveaux forcés à Nummero Zweihundert und sechs kam, perpétuité.“ Gegen Abend des dritten eine schwere Kette nach sich schleppend —. Tages hielt der Wagen, die Tur wurde vom anderen Ende der Halle herbei, aufgerissen, und man führte mich durch und zugleich erschien ein Grobschmied mit einen steinernen Hof und einen steiner¬ nackten Armen und einer ledernen nen Gang in eine ungeheure, matt von Schürze. oben erleuchtete Halle. Hier wurde mein „Lege dich nieder,“ sprach der Grob¬ Name von einem militärischen Oberauf¬ schmied, mich höhnisch mit dem Fuße seher in ein wuchtiges, mit Eisen beschla¬ toßend. genes Hauptbuch eingetragen. Ich gehorchte. Als ich mich nieder¬ „Nummero Zweihundert und sieben, gelegt hatte, wurde mir ein schwerer sprach der Oberaufseher. „Grün.“ Eisenring, an dem eine aus achtzehn Man führte mich in ein Seitengemach Gliedern bestehende Kette befestigt war, wo ich durchsucht, entkleidet und in ein um den Knöchel gelegt und durch einen kaltes Bad geworfen wurde. Nach dem einzigen Schlag mit dem Hammer ver¬ Bade wurde ich in die Galeerenlivree ge¬ nietet. Ein zweiter Ring nahm die losen teckt — ein Hemd von grober Leinwand, Enden der Kette meines Gefährten und Beinkleider von gelbgrauer Serge, eine der meinigen auf und ward auf dieselbe Bluse von roter Serge und schwere, eisen¬ Weise mit dem Hammer befestigt. Das beschlagene Schuhe, schließlich eine grün¬ Echo eines jeden Streiches hallte durch wollene Mütze. Beinkleider wieBluse den gewölbten Raum gleich einem hohlen waren mit den verhängnisvollen Buch¬ Gelächter.

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