Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

nennt nicht meinen Namen, erzählt ihr es weiter. Ich denke mir die Sache bei¬ läufig so. Kann mich natürlich irren, wollt es auch „Schon gut, legt nur endlich los“, hieß es und alle sahen neugierig nach Gerold hin. „Oh“, machte es der mit gering¬ schätzender Handbewegung, „ist wohl alles sehr einfach ausdenkbar. Ich nehme an, mein Herr Ohm, der Abt, wollte aus dem Kloster fliehen, ihm hatten die Reden der Klosterleute Angst eingejagt. Er muß sich daher in der Nacht heimlich entfernt haben, wohl in der Absicht, über die Enns zu setzen, ist dabei in finsterer Nacht über die Treppe hinabgestürzt und hat dabei den Tod gefunden. „Gottes Blitz, haltet uns doch nicht für gar so einfältig, das zu glauben; fiel hier der Stadtschreiber heftig ein „der Abt ist mit einer Hacke erschlagen worden, haben das ganz sicher festgestellt. Das glaubt ihr wohl selber nit, daß der Abt zufällig den Tod gefunden! Gerold verfärbte sich etwas vor dem forschenden Blicke, den ihm der Stadt¬ schreiber zusandte, aber schnell gefaßt er¬ widerte er, recht bescheidentlich im Ton: „Ist auch nur meine eigene Meinung Herr Stadtschreiber, war nit dabei, wie man den Toten untersuchte und hab das ja auch später vernommen von der Er¬ mordung, aber wer sollte die Tat verübt haben? Hatte nichts Wertvolles bei sich, der Abt, und war gut bewacht. „Ja, so gut, daß er unbemerkt aus dem Kloster zur Enns kommen konnte“, sagte der Stadtschreiber trocken, „und von seinem Eigentum fehlt auch gar manches könnt auch ein Raubmord sein. „Nicht doch“, fiel Gerold hastigein, „ich denke jetzt an anderes Er zögerte, weiter zu sprechen und schien über seine letzten Worte selber ganz erschrocken zu sein. Aber der Stadtschreiber war nun einmal mit dem Fragen im Zuge und meinte gedehnt: „An was denn? Nur heraus mit den Gedanken — sagten es euch ja vor¬ 111 hin, hier ist kein Gericht, ihr dürft unge¬ scheut reden. „Die Sache scheint mir ja selber ganz ungeheuerlich“, sagte Gerold kopfschüttelnd, „bring aber den Gedanken nit los, daß daß die Mönche selber es waren, die ihren Abt aus der Welt geschafft haben! Er hielt, wie neuerdings erschrocken, inne und blinzelte verstohlen nach den ob diesen seinen Worten ganz verdutzten Gesichtern der Zuhörer hin. Der Stadt¬ chreiber war der erste, der sich von dem geradezu vernichtenden Eindrucke erholte, welchen diese Beschuldigung auf alle An¬ wesenden gemacht hatte „Oho“, sagte er sich schüttelnd, als wollte er etwas Unangenehmes von sich abwehren, „das ist denn doch, so denk ich, eine ganz grundlose Verdächtigung! Nehmt euch in acht, Gerold, es sind Priester, die ihr da einer so ungeheuer¬ lichen Tat beschuldigt; mögen die auch mit ihrem Abte schlecht genug gelebt haben, so weit konnten sie sich nicht ver¬ gessen!“ „Ich beschuldige ja die Garstner Konventualen nicht, den Mord an ihrem Vorgesetzten verübt zu haben“, lenkte Gerold mit listigem Augenblinzeln vor¬ sichtig ein, „aber wie, wenn der Abt in Linz gegen den Ungehorsam seiner Unter¬ gebenen hätte Klage führen wollen, wäre es den Garstnern nicht schlimm genug ergangen? Drohten ihnen nicht Ent¬ hebungen, Versetzungen und kirchliche Strafen? Das alles ließ sich vermeiden, ging der Abt plötzlich mit Tod ab Tiefe Stille herrschte nach diesen, mit überzeugendem Ausdrucke von Gerold gesprochenen Worten und mancher schien es jetzt nicht am Platze zu finden, dem Neffen des Verewigten zu widersprechen. Nur der Stadtrichter schien von dem Hinweise, wo die Täter zu suchen seien, nicht ganz befriedigt zu sein, denn er wiegte sinnend das Haupt und meinte bedächtig „Bin nit eurer Ansicht, Gerold! Aber, so ungeheuerlich das ist, es könnt ja sein, habe, Gott sei's geklagt, ja schon einen Vatermord erleben müssen, sind rauhe

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