Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

106 Verlegenheit auffiel und setzte hinzu mir für Botschaft „Na, was bringst du Braucht der Schwagen chon wieder Geld? Herr Vater wohl „Das könnt der brauchen, wie immer,mein ich“ erwiderte Gundel etwas gedrückt „der hochwürdigste Herr Ohm kennt ihn ja und auch den Gerold und den Jakob aber für die gel ich nicht mehr borgen, wär schad', und ich würd' deren leichte Art dadurch nur fördern, deshalb bin ich nicht da und stör' euch warum denn also? Hat der „Ja — Gerold wieder einen schlechten Streich gemacht?“ Der Abt nestelte am stark ergrauten Bart herum und sah Gundel forschend an. „Ob er heut Nacht einen schlechten Streich begangen hat, weiß ich nicht, im¬ stande ist er's, der Gerold, und sind's die andern, Gott sei's geklagt — aber schlecht ist dem Gerold heut darnach und der Herr Vater schickt mich her, um euch das geziemend zu vermelden“, sagte das Mädchen fest im Tone, da es seine Fassung jetzt vollkommen gewonnen hatte. „Wollt den Gerold halt entschuldigt halten darob. „Muß es wohl“ sagte der Abt unwillig, die Augenbrauen hochziehend, „meiner Schwester Sohn läßt sich gar viel von mir verzeihen und ist eigentlich hier bei mir nur meiner Schwester Sohn —Diener aber nur sehr selten. Was ist sonst noch Neues bei euch im Haus? Dein Vater und der Jakob sind unverbesserlich? wohl noch die Alten — „Ich fürcht, die werden wohl noch schlimmer, hochwürdigster Herr Ohm, nickte die Gundel, den Abt fest ansehend, „können nicht Geld genug auftreiben und machen der Mutter gar vielen Kummer. Die Blicke des Mädchens waren bei diesen Worten, ob absichtlich oder zufällig, fortwährend auf verschiedene Wertsachen gerichtet die am Tische und auf den Schränken sich befanden, silberne Teller und Bestecke, ein paar fein gearbeitete Krüge aus Edelmetall, Kreuze und be¬ sonders auf einen prachtvollen, großen, goldenen Kelch, der in einer Nische des großen nußbaumholzenen Wandschrankes stand und den das Licht der Vormittag¬ sonne gar zärtlich umschmeichelte. Der Abt hatte diese halb neugierigen, halb bewundernden Blicke des Mädchens auf diese Kostbarkeiten wohl bemerkt und er mochte sie mißdeuten, denn ein Schatten des Unmutes flog über sein etwas strenges Antlitz und er sagte fast rauh: „Du betrachtest dir gar sehr genau — was ich an Geldeswert besitze schätzest wohl ab den Wert für euch! „Da sei Gott vor, daß ihr mich für habsüchtig hält wie einige in der Familie, hochwürdigster Herr Ohm“ fuhr Gundel fast heftig auf, denn das Mißtrauen des Abtes tat ihr in der Seele weh, „müßt nit alle Menschen für gleich erachten in ihrem Sinnen! Ich hab die Dinge mir angesehen aus Neugierde, das ist wahr, und weil ich solche Pracht noch nie ge¬ sehen, das ist aber auch alles!“ „Na, na, es war nit bös gemeint von mir“, begütigte sie der Abt, „bin etwas mißtrauisch geworden, wirst das ja verstehen können! Aber, wissen möcht ich doch, was du dir gedacht hast jetzt, als du dir meine Schätze, wie sie der Gerold immer nennt, so eingehend be¬ trachtetest? Die Gundel wurde gar nicht verlegen bei dieser Frage, im Gegenteil, sie sah den Abt durchdringend an und fragte: „Soll ich euch das ganz ehrlich sagen, hochwürdigster Herr Ohm, ganz ohne Hinterhalt? „Ei, ja doch, ist's so böse? „Nicht doch, hochwürdigster Herr Ohm“ sagte das Mädchen, „aber verzeiht, wer nichts hat braucht nichts zu fürchten, und da dachte ich, wenn ich das alles mein nennte, ließe ich nicht alles so offen herum es gibt gar böse sein um mich — Menschen und Geld und Geldeswert macht schwach. „Oho, Gundel, du scheinst böse Er¬ fahrungen gemacht zu haben, trotz deiner Jugend“ meinte der Abt lächelnd, „hast von der Ehrlichkeit deiner Mitmenschen nicht viel Achtung — wer soll mich denn bestehlen? Der Gerold etwa? Und der Abt sah das Mädchen for¬

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