Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

92 riette betreffende Klage wurde abgewiesen. Die Kläger behaupteten Gütergemeinschaft der beiden Ehegatten, der Geklagte hingegen Gütertrennung. In ersterem Falle wäre der Nachlaß der Königin weit größer geworden, als er es, nach dem Prin¬ zip der Gütertrennung berechnet, war. Im Juli 1903 starb zu Brüssel General Alexis Henri Brialmont, der „Festungs¬ bauer von Europa“. Die Welt kannte ihn als fortifikatorisches Genie; der praktische Wert seiner befestigten Anlagen in Belgien und im Osten Europas (Rumänien 2c.) namentlich bil¬ den noch heute einen Gegenstand der Erörterun¬ gen in den Fachkreisen. Er war als Erbauer von Festungen und befestigten Plätzen ein er¬ neuernder Geist und sein Bruch mit dem Ueber¬ lieferten hat einen großen Umschwung im mili¬ tärischen Befestigungswesen zuwege gebracht. Er war am 25. Mai 1821 zu Venloo geboren als Sohn eines ehemaligen Offiziers des ersten Kaiserreiches. Holland. Nach den im Juni 1904 seitens der Provin¬ zialstände vorgenommenen Wahlen für die erste Kammer erlitten die Liberalen solche Verluste, daß die erste Kammer, welche bisher liberal war, im nächsten Jahre eine antiliberale Mehrheit haben wird. Türkei, Griechenland und Balkan¬ staaten. Am 12. Oktober 1903 starb der am 14. März 1878 als das fünfte Kind des Beherrschers der Türkei, des Sultans, geborene Prinz Ach¬ med Bedr=Eddin Efendi. Im Monat Juli 1903 wurden Unterrichts¬ minister Dschelal Bey zum Marineminister und Staatsrat Hachim Bey zum Unterrichts¬ minister ernannt. Die Wirren in Mazedonien dauerten auch im Berichtsjahre fort, obwohl die türkische Re¬ gierung die von Oesterreich=Ungarn und Ru߬ land gemeinschaftlich angeratenen und in er¬ weitertem Maßstabe ausgearbeiteten Reformen vollinhaltlich akzeptierte, die von diesen Mächten vorgeschlagenen Zivilagenten für Mazedonien in Amt und Würde treten ließ, sogar eine euro¬ päisch organisierte und geleitete Gendarmerie für Mazedonien schuf. Ende Oktober brach in Yemen — Glückliches Arabien — ein Aufstand aus, an dessen Spitze der Khalifenprätendent Scheik Hamid Eddin stand und in dessen Verlauf der Gouverneur von Assyr, Juzuf Pascha, ermordet wurde. 4 Am 13. Februar 1904 wurde Kronprin¬ zessin Sophie von Griechenland eine Schwester des deutschen Kaisers, von einer Prinzessin entbunden. Das nach der Demission Theotokis neu¬ gebildete Kabinet Ralli löste die Kammer auf und die Neuwahlen fanden im Zeichen des Korinthenmonopols statt und ergaben eine Re¬ gierungsmajorität. Am 16. Dezember 1903 über¬ reichte das Ministerium Ralli wegen Kon¬ flikten mit der Kammer wieder seine Demission, da es nicht an das Volk durch Auflösung der vertagten Kammer appellieren wollte, und nun kam wieder ein Ministerium Theotokis an die Reihe. * Die Nachwehen des entsetzlichen Königsdramas vom 10./11. Juni 1903 machten sich im Be¬ richtsjahre dem neuen Beherrscher Serbiens in sehr unangenehmer Weise fühlbar. Der un gefühnte Königsmord erschwerte die diplomati¬ schen Beziehungen zu den Großmächten; die Be¬ urlaubung der Gesandten Oesterreich=Ungarns, Deutschlands und Rußlands beim serbischen Hofe erfolgte, weil diese Mächte es nicht für opportun hielten, ihre diplomatischen Vertreter in der sonst üblichen Form am Hofe Peters I. verkehren zu lassen, so lange noch der Schatten des ungesühnten Königsmordes auf seiner Um¬ gebung ruht. Dies erwirkte, daß die Leiter und Vollstrecker des Königsmordes — mit ihnen auch Generaladjutant Popovic — aus der un¬ mittelbaren Umgebung des Königs entfernt und durch farblose, unpolitische Mitglieder des Offi¬ zierskorps ersetzt wurden. Im September 1903 trat eine militärische — friedliche Gegenverschwörung zutage, welche zur Wahrung der Ehre des serbischen Offiziers¬ korps — die Bestrafung oder doch Entfernung der Mörder des Königs Alexander und seiner Gemahlin aus der Armee begehrten. Da aber diese nach wie vor eine maßgebende Rolle in Serbien spielten und auch jetzt noch spielen, so wurde dem Begehren der Retter der Ehre des serbischen Waffenrockes nicht stattgegeben, die

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