Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

41 Der Strohlack. Humoreske von Wilhelm Herbert. s gibt Leute, die den Schein Aber Lenz merkte von diesen Gerüch¬ % und das Gerede nicht von sich ten, die über ihn umgingen, nichts oder Klosbringen, daß sie heimlich tat wenigstens so. bedeutende Gelder besäßen Die Sache konnte indessen nicht immer selbst wenn sie keinen roten Deut haben. so bleiben. Besonders alte, alleinstehende Menschen, An einem stillen Sonntag=Nachmittag, die ein zurückgezogenes, mäßiges Haus¬ als die Männer alle zur Kirchweih nach halten führen, verfolgt der argwöhnische, Oberbach hinübergegangen waren, kam habgierig=neidische Klatsch der Ver¬ es zu einer Wendung der Dinge. wandten und Bekannten fort und fort Die Bürgermeisterin, eine von den mit der zähen Nachrede, daß sie irgend¬ nächstverwandten Basen des alten wo verscharrt oder vergraben, verräumt Kauzes, hatte sich ein paar Freundinnen oder vernäht einen Thalerstrumpf oder eingeladen, welche sich gleichfalls rühmen einen Dukatenstiefel oder ein vergilbtes, konnten, zur Sippe des Holzapfel=Lenz verschimmeltes Päckchen Tausender vor zu gehören. Der Kaffee war ausgezeich¬ aller Welt verborgen hielten. net, die Nudeln so, wie man sie von der Besonders der Strohsack war von ersten Frau im Dorfe erwarten konnte, jeher ein Hausgerät, dem man mit Vor¬ und an Gesprächsstoff fehlte es nicht liebe zutraute, heimliche Schätze in seinem Denn ob Großstadt, ob Dorf, für findige unscheinbaren Innern verborgen zu und mitteilsame Seelen gibt es immer halten. und überall Neuigkeiten genug, um damit Auch der alte Holzapfel=Lenz besaß einen stillen Sonntag=Nachmittag ange¬ einen solchen Strohsack. regt zu verplaudern. Alle seine Basen und Muhmen — und Endlich aber, nachdem man diese und deren hatte er im Dorfe nicht wenige jene durchgehechelt, kam man auf das waren davon im Innersten überzeugt, — Lieblingsthema von allen dreien den daß das kleine, dürre, verhuzelte Männ¬ mehrerwähnten geheimnisvollen Stroh¬ chen mit den schlauen, wasserhellen sack des alten Vetters. Jede wußte irgend Augen und dem verschmitzten Lächeln eine neue Bestätigung dafür beizutragen um die Mundwinkel nur deshalb mit daß dem genau so sei, wie man schon einer so gleichmäßigen, spöttisch=über¬ lange gemunkelt habe, und man redete legenen Ruhe auf das Welt= und Dorf¬ sich stets in eine größere Hitze hinein,je getriebe rings um ihn herabblickte, weil tiefer die Flut im Kaffeetopf fiel undje er seine „Batzen im Schrein hätte“. Das breiter sich die Abendschatten über den in so manch traulichem Kaffeetratsch aus¬ Krautgraben draußen legten. gesonnene Geheimnis von dem „Schatz „Da muß amal was g'schehen!“ sagte des alten Lenz redete sich allmählich 0 die Bürgermeisterin resolut und dikta¬ herum und wurde nach und nach derart torisch, wie es der Obrigkeit zukam. zur Dorfüberzeugung, daß man sich Die beiden anderen nickten überzeugt wenn der Alte hin und wieder seufzend und lebhaft. meinte: 's Geld, wenn i hätt', tät' ich „Man is 's ja dem alten Bruder selber noch einmal auf ein paar Tag' in d’ Re¬ schuldig,“ meinte die Schweizerbäuerin, idenz 'neinfahren, wo i in meiner Ju¬ „wenn ihm amal das ganze Geld weg¬ 77 gend so a lustige Zeit verlebt hab'!“ käm' — er sperrt sein Häusl nie ab. daß man sich dann hinter seinem Rücken Ein unsicherer Blick flog von der einen anstieß, einander zunickte und murmelte: zur anderen und die Selchenhoferin gab „Tropf, alter, hast es ja, brauchst nur dem in allen dreien jäh aufgestiegenen Deinen Strohsack aufzuschneiden!“ Plan als erste Worte, indem sie halblaut

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