Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1904

33 Zwischen Tür und Angel. Novellette aus dem Eheleben von Arthur Zapp. an waren Zank und Streit an der Tages¬ ordnung gewesen. Zuerst hatte sie ihn durch ihre ganz unbegründete Eifersucht 3# gequält und nervös gemacht. Sie hatte 2% 15 absolut nicht dulden wollen, daß er sich 200 12 zu seinen künstlerischen Schöpfungen U. S219.3 eines Modells bediente. Vergebens war 210 es gewesen, daß er ihr vorgestellt hatte, Erich Kramer ein Genremaler wie er, der noch dazu schritt unruhevoll ganz im Modernen wurzelte, könne ohne in seinem Atelier lebendes Modell überhaupt nicht schaffen. T auf und ab. Es Sie hatte ihm erklart, daß sie ihn nicht war ihm ganz stundenlang allein lasse mit einer wild¬ unmöglich, heute fremden Frauensperson, einem solchen auch nur einen „Modell“. Und so hatte sie denn in der einzigen Pinsel¬ Tat bei jeder Sitzung sich im Atelier strich zu tun. Ab¬ postiert und mit eifersüchtigen Blicken gesehen davon seinen Verkehr mit dem Modell über¬ daß seine Stim¬ S wacht. Natürlich war unter diesen Um¬ K., B. 90 — mung ein künst¬ tänden an ein gedeihliches Arbeiten nicht 4 — lerisches Schaffen 720 zu denken gewesen. Das Modell war un¬ 820 — vollkommen aus¬ ruhig und zerstreut geworden und hatte schloß, es gährte nie die richtige Stellung eingehalten, und so fieberische Aufgeregt¬ auch in ihm eine er selbst hatte schließlich ärgerlich den heit, daß er überhaupt nicht eine Viertel¬ Pinsel weggeworfen und mit dem Auf¬ stunde an einer Stelle ruhig hätte ver¬ gebot seiner ganzen Energie als Gatte weilen können. und Künstler seine Frau aus dem Atelier verwiesen und hinter ihr die Tür ver¬ Plötzlich hielt er seine Schritte an und schlossen. Die Folge war gewesen, daß blieb mitten in dem großen Raume Adele noch an demselben Tage gepackt stehen, um nach dem Nebenzimmer zu hatte und zu ihrer Tante abgereist war. lauschen. Das Rauschen eines Frauen¬ Vier Wochen hatten sie miteinander ge¬ gewandes wurde hörbar, und mit einer schmollt, dann hatte er nachgegeben, war unwillkürlichen Geste griff der Maler ihr nachgereist und hatte sie in sein Heim nach seinem Herzen. Es schlug in so zurückgeholt. Nun hatte Adele ihm selbst rasendem Tempo, daß er glaubte, es Modell gesessen, aber es war gekommen, müßte die dünne Körperwand zer¬ wie er es vorausgesehen hatte. Ihr hatte sprengen. die Uebung und vor allem aber die unend¬ Seine Frau rüstete sich zur Reise und liche Geduld und Ausdauer gefehlt, die wer weiß, ob er sie je in seinem Leben zu den unerläßlichen Haupteigenschaften wiedersehen würde. Und doch hatte er sie eines berufsmäßigen Modells gehörten Ganze Wochen lang war er müßig ge¬ ich einst aus ganzer Seele geliebt und als den glücklichsten Menschen auf der gangen, dann hatte er versucht,ohne Modell zu arbeiten — ganzen Welt betrachtet, als er mit ihr mit wenigErfolg. Sein ganzes junges Eheleben vor kaum mehr als einem halben Jahre von dem er sich neben rein menschlichemGlück auch vor den Traualtar getreten war. Leider einen fördernden Einfluß aufseine künst¬ hatte sein und Adelens Eheglück die lerische Tätigkeit versprochen ersten Wochen nicht überdauert. Von da hatte, war 3

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