Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

„Schlepperinnen“, die Frau der zwei abermals mit einer großen Kathi nun Zungengeläufigkeit das stille, beschauliche childerten, wie da die reiche Klosterleben Roßbergerin ihre eigene wohleingerichtete Zelle bekäme, wo sie gänzlich ihren An¬ dachtsobliegenheiten in Ungestörtheit nach¬ kommen könne; wie sich sämmtliche Klo¬ sterfrauen freuen würden, die Bäuerin bei ich aufzunehmen, und daß sie, wenn sie noch weitere Spenden verschriebe, wohl selber noch durch höchste bischöfliche Er¬ laubniß den Schleier erhalte. Diese Speculation auf Frau Kathi's Eitelkeit war so schlau ausgeklügelt, daß das verblendete Weib den „Kravattel¬ würger“ immer um neue Darlehen an¬ ging, die auch augenblicklich gegeben wurden. Nach einiger Zeit, nachdem die Ro߬ bergerin bereits wie eine Fliege zu tiefst in dem Netze des Wucherers saß, erklärten ihr die beiden Weiber, sie möge sich an einem bestimmten Tage bereit halten und alle ihre tragbare Habe zusammenpacken da ein großer Klosterwagen kommen würde, der sie und das sämmtliche Ge¬ päck ins Clarissinen=Kloster in der Münchener Stadt, das heiß ersehnte Ziel ihrer Wünsche, brächte... Als nun die zu ihrer angeblichen Abreise bestimmte Stunde nahte, saß Frau Kathi — gegen ihre Tochter hatte die Bäuerin über ihr Vorhaben mit dem Starrsinn dörfischen Eigensinns und Trotzes geschwiegen, aber auch gar keinen Versuch mehr an¬ gestellt, Vevi mit ihren Aufforderungen, ebenfalls ins Kloster zu gehen, zu quälen vor sich hinbrütend mitten unter ihren in der Hausflur aufgestellten Truhen und Kisten, horchte auf jedes ferne und nahe Geräusch, und war trotz Nässe und Zugluft, denn draußen prasselte ein Regen¬ guß um den anderen nieder, nicht zu be¬ wegen, diesen ungesunden Platz zu ver¬ lassen. Vevi ward immer bekümmerter um den krankhaften Zustand der Mutter, das Gesinde zischelte unter sich, in den Ställen und Scheunen sagten aber die 11 Ehehalten laut zu einander, die Roßber¬ gerin „spinnt“ (ist verrückt). Eine Stunde um die andere verrann sich der versprochene Klosterwagen ließ aber nicht blicken. Durch sein Nichterschei¬ nen sah es immer schlimmer, wirrer in Frau Kathi's Kopfe aus. Aus der frü¬ heren stummen Trostlosigkeit verfiel schlie߬ lich die Beklagenswerthe in solche Raserei, daß alle Beruhigungsmühen nicht nur vergeblich waren, sondern das Einspre¬ chen auf Frau Kathi ihre Aufgeregtheit noch immer mehr steigerte. In der Küche zertrümmerte die Tobende alles Geschirr und im ganzen Hause herrschte ein solch wüstes Durcheinander, daß die besonnene Haustochter darüber nimmer Herr werden konnte. Das wackere Mädchen mußte jetzt auch einen Entschluß fassen, was mit ihrer Mutter geschehen sollte, die auch körper¬ lich ganz verfiel. Es war das Aergste zu befürchten. Toni war von seinem Herrn gestattet zu dür¬ worden, sein Mütterlein besuchen fen. Beseligt im Gedanken an Vevi's Liebe ging er rasch dahin und befand sich bald am reizenden Ufer des lieblichen Schlier¬ sees. Schwere Zweifel quälten ihn wohl ob das theure Dirndl sein Weib werden würde, falls die Mutter davon nichts wissen wolle, doch sein Vertrauen in die Standhaftigkeit des Mädchens wurzelte felsenfest und seine junge Brust durch¬ fluthete maigrüne Hoffnung auf eine schöne, glückliche Zukunft... Gewiß, er wollte den Hof stets in der Vollkommen¬ heit erhalten, wie einst der selige Ro߬ berger, so daß alle Bauern in der Um¬ gegend bekennen müßten: „Weit und brei gibt's keine bessere Wirthschaft als die auf dem Roßberger=Anwesen!“ Und erst Vevi seine künftige Bäuerin — nun, selbstver¬ ständlich sollte es die hier hienieden schon so gut haben, wie die Engel im Himmel von denen ihm schon sein liebes Mutter so viel erzählt hatte, als er noch als kaum kniehoher Bub vor ihr, wenn sie spann auf dem Fußbankel saß und um eine solche schöne Erzählung sein Abendessen ein Stück Butterbrot, gegeben hatte. Was

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2