Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

58 alle Welt, blieb aber dann das viele der von diesem Handel nichts verrieth, Geld?“ erpreßte er in der Folge ein Schweiggeld „Das frag' mich nicht, Lorenz!“ fleht — ums andere von ihr so lange, bis ein sie ihn an; „ich kann es nicht sagen. kaum mehr nennenswerther Rest in der Da stößt er sie rauh von sich. „Auf der Casse verblieb. Stelle —!“ knirschte er keuchend. Netti ist verstummt. Netti vergehen die Sinne vor Angst. Und in tiefem Sinnen bleibt Lorenz Sie ist nicht mehr Herrin über sich selbst, still. Das also war's. Der Martin — ein sie weiß nicht, was sie thut, sie spricht, sie Schuft! Das hätte er nicht gedacht. stammelt wirres, unzusammenhängendes Und was half es ihm, dem wüsten Karten¬ Zeug. —Doch Lorenz merkt wohl auf. pieler, daß er seine Verwandten um den Kein Wort dieses erpreßten Geständnisses kleinen Nothgroschen gebracht? Nichts. Er entgeht ihm. Und so erfährt er es denn besaß heute gewiß keinen Kreuzer mehr wie das Alles kam. vom all dem erpreßten Gelde, und Weib Also der Martin steckte im Spiele, ein und Kind saßen bei ihm im Elend. eigener Bruder!— Der—! O — Er Netti vergehen einstweilen die Minuten hatte die Netti einst gefragt, ob sie des in stummer Qual. Welches wird wohl Lorenz Weib werden wolle; und sie, in der ihr Urtheil sein? Meinung, daß Martin im Auftrage des Endlich beugt ihr Mann sich zu ihr Bruders spräche, sagte freudig ja. Später nieder und küßt sie auf den Scheitel. erst erfuhr sie, daß der Martin „nur so Wie —? Er schreit nicht? — er schlägt „ gemeint“ hatte. Das war tief beschämend nicht zu? — Und in überströmendem für das Mädchen. Und als Lorenz dann Dankgefühl berühren ihre Lippen seine wirklich um sie warb, da wußte sie es, Hand. Dann stammelt sie, schluchzend vor daß ihm der Gedanke erst durch seines Glück: „Lorenz, ist's möglich —? Du Bruders Zureden gekommen war. Gleich¬ verzeihst?“ und wirft sich voll leidenschaft¬ wohl hatte sie nicht die Stärke, seinen licher Hingebung in seine Arme. Antrag abzulehnen, denn — sie liebte ihn Er streichelt sie zärtlich, indem er sagt: heiß und innig. Allein das durfte sie nicht „Das Geld war ja doch Dein. Was Du zeigen. Denn Martin wußte es genau damit machtest, geht mich eigentlich nichts daß sein Bruder nur ein ernstes, zurück¬ an. Und was Deine Heimlichkeit und Un¬ „ haltendes Maochen zur Braut wünsche. wahrheit anbelangt — nun, jetzt sehe ich So ließ sie sich förmlich über ihr Beneh¬ sie eben in anderem Lichte.“ men gegenüber dem Verlobten unter¬ Da fällt sie ihm zu Füßen und in ihren weisen. Damit aber war sie dem Martin hellbraunen Augen steht ein überirdischer „ vollig in die Hand gegeben. Und der nützte Glanz. ihre Abhängigkeit auch gehörig aus. Da¬ Zum erstenmale offenbart sich dem für, daß er dem Lorenz zu der Heirat Lorenz der ganze Reichthum ihres Ge¬ zugeredet hatte, ließ er sich zum ersten fühls, und er sieht, daß es ein Irrthum Male, als Netti bereits Braut war, mit war, wenn er glaubte, eine ruhige, ver¬ einer Summe aus dem Sparcassenbuch nünftige Frau zu haben. — Indeß, so — bezahlen! Und dafür, daß er dem Bru¬ ist's ihm lieber.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2