Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1903

Rittmeister hatte eine derartige Cingarella noch nie gesehen und mußte sich zuge¬ stehen, daß dieses Weib einen erschrecken¬ den Eindruck auf ihn machte Als nun Alzide unter der großen Dorflinde stand, die sich mitten auf dem freien Dorfplatz erhob, warf sie einen kurzen, jedoch stechenden und doch wieder lauernd forschenden Blick auf den Officier dann traten die Husaren einzeln zu ihr heran. Sie betrachtete mit feierlichen, ausdrucksvollen Mienen die Handfläche eines Jeden, ließ leise ihren Wahrspruch vernehmen, empfing den Lohn und winkte darauf den Nächsten heran. Auf den lebhaften Gesichtern der jungen Leute malte sich der verschieden¬ artigste Ausdruck, doch mit Vergnügen bemerkte der Rittmeister, daß dieser ein So allgemein befriedigender war ... verfloß schnell eine Stunde und noch war die ganze Escadron nicht unter der Linde gewesen. Fortenbach wurde unge duldig, ritt nah' an den Baum heran und rief: „Mach's kurz, Alzide! Die Zeit drängt!“ Auch die Deine verrinnt, Du bleicher schöner Officier!“ erwiderte mit dumpfer Stimme das unheimliche Weib Wir Beide treffen uns auch noch Warte nur ein wenig!“ Bei diesen seltsamen Worten durch¬ rieselte den Rittmeister, der sich doch frei von Aberglauben wußte, ein leiser Schauer. In diesem Augenblick begriff er wohl den Eindruck, welchen dieses Weib ohne Ausnahme auf die Leute machte, die mit ihr zu thun hatten, dem sogar er trotz besserem Wissen und Er¬ kennen sich nicht ganz entziehen konnte. Gedankenvoll ritt er auf seinen Platz zurück und wartete ruhig das Ende der großartigen Prophezeiung ab. Der letzte Husar war endlich abge¬ fertigt und schon blickte der Trompeter auf seinen Commandeur, das Abmarsch¬ zeichen erwartend, als Alzide rasch auf den Officier zuschritt, dessen Rechte, ehe er es verhindern konnte, ergriff, mit tief¬ gerunzelter Stirne die Handfläche besah 35 und scharf betonend nichts sagte, als: „Der 21. Juli ... Sofort ließ sie die Hand fahren und wendete sich schnell um, der Rittmeister war aber nun erregt und rief: „Ist das Dein ganzes Wissen, Alzide? Weißt Du mir nicht mehr zu agen?! Doch diese warf ihren Kopf herum und wiederholte nur mit Nachdruck: „Ja, merke Dir nur den 21. Juli! Noch erregter rief Fortenbach: „Alzide! lass’ doch mit Dir reden und nimm diese Gabe!“ „Von Dir, blanker, bleicher Officier! nehme ich nichts an, da Du meinem Worte nicht eher glaubst, bis nicht dieses erfüllt ist! ... Sie wehrte die Annahme es Geldstückes ganz entschieden mit ihrer Knochenhand ab. Der Rittmeister zwang sich zu einem verächtlichen Lächeln und gab dem Trompeter das Abmarschzeichen Wohl hatte nun bald die Schwadron das Dorf hinter sich, nicht aber ihr Befehlshaber seine Gedanken an diese ebenso geheimnißvoll als grauenhaft er¬ cheinende Zigeunerin, die eine so große Ausnahme von den Weibern ihres Stammes machte, angebotenes Geld nicht anzunehmen!* „ Gedankenvoll ritt Fortenbach an der Spitze seiner Escadron und immer und immer klang's in seinem Ohre, in seinem Innern wieder: „Der 21. Juli!“ Stets fragte er sich: „Was meint das unselige Weib damit? Denn keine An¬ deutung schließt sich daran, ob ein hei¬ teres oder trauriges Ereigniß an diesem Tage eintritt für mich?“ ... Doch dachte er der ihm von der Cingarella zuge¬ rufenen Worte, als er sie zur Beendigung dann ihrer Wahrsagereien aufgefordert, hatte dieser einundzwanzigste Juli für ihn allerdings eher eine schlimme, denn eine gute Bedeutung! In diesen Grübeleien versunken, ritt er still dahin. Auch seine Husaren waren nimmer so fröhlich wie Tags zuvor und er bereute es bitter, ihren Bitten nachgegeben zu haben .. Trotzdem erreichte der Rittmeister mit seiner Schaar in langsamen Tagmärschen 3*

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