Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1902

66 Sohnes des Erzherzogs Josef August und der Erzherzogin Auguste statt, wobei der Neu geborene den Namen Ladislaus Luitpold Josef Anton Ignatius Benedictus Bernhardus Am 2. April 1901 wurde die Maria erhielt. — Leiche der zu Volosca verstorbenen Erzherzogin Gisela, Tochter des Erzherzogs Josef August in Budapest zu Grabe getragen. Eine stattliche Reihe von fürstlichen Besuchen in Wien ist in der Berichtsperiode zu ver zeichnen: am 28. August 190 traf das rumä¬ nische Königspaar in Wien ein; diesem olgte am 20. September der Schah von Persien, am 30. October der König von Griechenland, am 14. April 1901 der Deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm, am 19. Mai Prinzregent Luitpold von Baiern mit einer Tochter Prinzessin Therese von Baiern und am 3. Juni der Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen=Weimar¬ Eisenach. Die gefürstete Grafschaft Görz und Gra¬ diska konnte im Jahre 1900 das 400jährige Jubiläum ihrer Angehörigkeit an Oesterreich eiern. Am 8. Juli 1900 wurde aus diesem Anlasse in der Gemeinde Savogna im Görzischet ein Erinnerungsdenkmal feierlich enthüllt; den Höhepunkt der Jubiläumsfestlichkeiten bildete jedoch der Besuch des Kaisers in Görz. So¬ Sep¬ wohl bei seiner Ankunft in Görz am 29. Auf tember 1900, als während seines ganzen enthaltes in der jubilirenden Provinz war Kaiser Franz Josef I. Gegenstand der be geistertsten Kundgebungen der Loyalität und treuen Anhänglichkeit an das angestammte Kaiserhaus. Die auswärtige Politik Oesterreichs bewegte sich auch im Berichtsjahre im bewährten Rah men; der Dreibund stand nach wie vor — wie die Enunciationen der leitenden Staatsmänner der verbündeten Staaten und insbesondere die auch von der Kammer gebilligten Erklärungen des Ministers des Aeußern Italiens, Prinetti in der, Mitte Juni 1901 in der italienischen Deputirtenkammer stattgehabten Dreibunddebatt beweisen — unerschüttert fest und die Beziehungen zu den übrigen Mächten waren die denkbau besten. Die Theilnahme an der durch Japan und die Vereinigten Staaten von Nordamerika unterstützten kriegerischen Action der europäischen Großmächte in China gab den im Reiche der Mitte engagirten Detachements der österreichisch ungarischen Wehrmacht Gelegenheit, ruhmvolle Beweise unerschrockener Tapferkeit zu liefern Das innerpolitische Leben Oesterreichsist im Laufe der Berichtsperiode in ein neues Stadium getreten, das möglicherweise zur Bei¬ legung der nationalen Kämpfe in Böhmen und damit zu einer neuen Aera günstiger politischer und wirthschaftlicher Entwicklung des cisleitha¬ nischen Theiles der Monarchie führen kann. Freilich die Ereignisse, die sich zu Beginn unserer Berichtsperiode in Oesterreich abspielten, hatten eine solche Entwicklung nicht voraussehen lassen und über die intimen Ursachen des an und für ich erfreulichen Umschwunges dürfte noch lange der Schleier nicht gehoben werden. Wir haben unseren vorjährigen Bericht über die Entwick¬ lung der innerpolitischen Verhältnisse in Oester¬ reich mit Anführung der Thatsache geschlossen, daß die Regierung angesichts der immer wüster auftretenden, durch kein vitales Interesse seiner Wähler begründeten Obstruction des Tschechen¬ clubs und um dem durch dieselbe muthwillig herbeigeführten parlamentarischen Scandal, der bereits in Thätlichkeiten auszuarten begann, ein möglichst rasches Ende zu bereiten, sich entschloß, bei Sr. Majestät die Schließung der Reichs¬ rathssession zu beantragen, welche denn auch in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni 1900, nach¬ dem neue Stürme das Abgeordnetenhaus durch¬ tobt hatten, um 12 Uhr 20 Minuten erfolgte und an diese thatsächliche Constatirung die Be¬ merkung geknüpft: „Welchen Weg nunmehr das Ministerium einschlagen wird, um die inner politischen Wirren Oesterreichs zu beseitigen dem Vaterlande den lang entbehrten und so inneren Frieden wieder zurückzugeben, ohne welchen auch an eine gedeihliche wirthschaftliche Entwicklung nicht zu denken, ist bis zum Schlusse unserer Berichtsperiode in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt geblieben. Nun, die Entscheidung stand näher, als man erwartet hatte: in der Erkenntniß, daß mit dem Abgeordnetenhause in seinem damaligen Bestande im Hinblicke auf die klar kundgegebene jedes gedeihliche Absicht des Tschechenclubs Wirken des Parlamentes zu hintertreiben, nicht zu arbeiten sei, entschloß sich die Regierung, an die Wählerschaft zu appelliren, und so erfloß denn am 7. September 1900 das kaiserliche Patent, womit das Haus der Abgeordneten des Reichsrathes aufgelöst wurde. Damit hatte das Haus, das mit Patent vom 22. Jänner 1897 ür den 27. März desselben Jahres zu seiner ersten Sitzung nach den mit 20. März 1897 geschlossenen Neuwahlen einberufen worden war, und das drei lange Jahre hindurch „tagte ohne zu tagen, ohne zu leben lebte“, ausge¬ rungen. Und daß es so kam, daß es so kommen mußte, daran ist den Tschechen die alleinige Schuld beizumessen. Sie waren es, die das Uebel, an dem dieses Parlament zusammenbrach für Oesterreich erfanden. „Der letzte Seufzer um mit des Coalitionsministeriums ging einem leitenden Wiener Blatte zu sprechen „in jungtschechischen Obstructionsstürmen unter und aus Angst vor ähnlichem Schicksal kaufte sich Graf Badeni durch die Sprachenverordnungen los; die Furcht vor dem Terror wirkte ent¬ scheidend auf Staatsactionen ein. Erzwungen durch den mit den Sprachenverordnungen be¬ ginnenden Versuch, über die Köpfe des deutsch¬ österreichischen Volkes zu regieren, kam dann

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