Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

20 Lächeln, daß Lieschens Zustand ein ver¬ hältnißmäßig guter sei und daß sie wohl bald ihr Bettchen wieder verlassen könne. Sie möge nur darauf achten, daß die kleine Ungeduld dies nicht heute schon thue. Er wolle jetzt in das Dors hinaufgehen „Hast etwa noch ’was auf dem Herz'n?“ fragte er, als sie, die zittern¬ den Hände um ihr Gebetbuch krampfend, vor ihm stehen blieb. Sie nickte und da zog er sie in die Stube, erwartungsvoll auf sie nieder¬ blickend. Lange, lange ward ihm keine Antwort. Es war, als hätte eine inner Angst sie plötzlich der Sprache beraubt. Ihre Augen füllten sich mit Thränen. „Verena, was hast denn nur, was is Dir denn passirt?“ rief er, unwill¬ kürlich nach ihrer Hand fassend.„Is Dir etwa d' Monie begegn't und hat Dich hart ang'fall'n? — Es sähg ihm fast gleich.“ „Begegn't is s’ mir net, wenigstens net heut'“ sagte Verena, sich verlegen von ihm abwendend. „Aber so viel Schlecht's sagt sie von mir —desweg'n muaß i weg von da. — Ja, heut' noch geh' i, Müllner. Nun erschrak auch er. Sein Gesicht wechselte jäh die Farbe und groß starrte er sie an. Doch nicht lange, dann lachte Er er in gewohnter Weise kurz auf. hätte es sich ja gleich denken können, nachdem er Monie's Charakter zur Genüge kennen gelernt. Die Schlange rächte sich durch Gift. Freilich, ihm selbst konnte sie wenig anhaben, desto mehr aber dem armen Mädchen, welches nichts besaß, als seine Ehre und seinen guten Namen Er hätte auch ihm helfen können wollen, doch sein Stolz verbot ihm, um Verena, die seiner Meinung nach einen Andern liebte, zu werben. Und dennoch liebte er sie so heiß, daß ihm der Ge¬ danke, sie könne ihn verlassen, schier unerträglich war. „Du gehst net davon,“ sagte er erregt. Da sie schwieg und beharrlich zu Boden blickte, während ihre Lippen zuckten und die Röthe auf ihren Wangen kam und ging, fuhr er eindringlich fort: „Lass' die Leut' red'n, was sie woll'n, Verena, und bleib' bei mir. I nimm mir auch noch Dei' Muatta ins Haus, daß sie allweil um Dich sein kann, nur lass’ mich net im Stich. Versprich mir's Sie schüttelte den Kopf, was ihn nun völlig außer sich brachte. „Bist etwa ohnehin froh, wenn Du von der Wolfsmühl' furtkimmst? Hast Du“ hier wandte er sich ab und durchmaß mit hastigen Schritten die — Stube „hast wohl gar a Hoffnung, daß Dich der Fritz, der Mühlbursch' net vergißt und Dich amal heirat't! Sag' mir das, ich kann Dir vielleicht nützlich sein bei eahm — bei seinen Eltern. „Nein, Müllner, das braucht's net Wo denkst denn Du hin!“ Sie hatte das in solch einem heftigen Tone gerufen, daß er stehen blieb und sie mit wortloser Verwunderung ansah „Nein, das braucht's durchaus net! wiederholte Verena bestimmt, „den Fritz hätt' i ja ohnehin heirat'n kinna, es wär auch seinen Eltern recht g’wes'n, wenn i nur mög'n hätt'! Aber i hab' ihm's ja g'sagt, daß — „Is das wahr, Verena?!“ Der Müller war auf sie zugeeilt, hatte ihre Hände erfaßt und schaute ihr jetzt mit dringendem Blick in die Augen. Als sie bejahte, veränderte sich der immer so finstere Ausdruck seines Ge¬ sichtes wunderbar. „Und warum hast Du ihn denn net mög'n?“ fragte er leise weiter „Weil — i kann's net sag'n.“ „Hast etwa an Andern gern? „Ja, nickte sie mit brennenden Wangen „Wer ist denn das, Verena? Sag's, i bitt' Dich, sag' mir es! „Oaner, der mich net heirat'n kann, weil i nur a arme Dirn bin und er a reicher Müllner is. Und d'rum, Müllner, muaß i iatzt zu meiner Muatta hoam, i —

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