Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

4 war ja die erste und noch dazu unver¬ diente Rüge gewesen, die sie hier in der Mühle erhalten. „Bist wohl stark beleidigt jetzt?“ ließ sich des Müllers tiefe, im Augenblich etwas spöttisch klingende Stimme ver¬ nehmen Sie sah auf sein dunkles Gesicht, das schön zu nennen gewesen wäre, wenn die braunen Augen nicht garso böse unter der tiefgefurchten Stirne ge¬ blickt hätten. bin net beleidigt, Müllner, „S sagte sie schüchtern. „Die Monie hat ja vielleicht recht. „Na na, mei' kloan's Dirndl derf schon hie und da a bißl Vergnüg'n hab'n! Soviel i kenn', paß'st Du akk'rat zu eahm, weil's noch zwoa Kinder seid's. Er lächelte ein wenig und schritt an ihr vorüber in den Hausflur. Dort blieber stehen, denn er hatte noch gehört, wie sie verdießlich vor sich hingesprochen hatte: „Kinder — i, a Kind!“ „So moaust, Du bist koan's mehr? Nachher is 's aber noch gar net lang her, daß Du oan's g’wes'n bist. Wieviel Jahr' hast denn schon? „Neunzehne. „In dem Alter bin i a Gams g’wes'n, der zu All'm, nur zu nix Ver¬ nünftigen a Freud' g’habt hat. Jetzt bir i doppelt so alt und hab' an gar nix mehr a Freud' als an mein' Dirndl. So mag's Dir vielleicht auch amal geh'n.“ „O, mir is 's ohnehin schon schlecht g'nuag g’ganga, mit voll'm Recht derf i das sag'n. Wenn man von Haus und Hof geh'n, den Vater sterb'n und d'Muatter in der Noth sehg'n muaß kann man nimmer von viel Glück red'n. „Deiner Muatta geht's also ne ¼ quat! „Naa, sie is bei unserer Freundschaft auf'm Sickingerhof aus Gottderbarm' 77 Was halt i vodean' „Wieviel vodeanst Dir denn,18 0 Jahr: „Vierz'g Guld'n, Müllner, und Haar an' Stückl Leinwand. Du mußt es zu ja selber wiss'n.“ „Naa, das hab' i net g’wißt. Die vorherige Dirn' hat sechz'g g’habt. „I bin halt noch viel jünger auch, meinte Verena bescheiden „Aber doch g'rad so tüchtig, denk' i Die Monie hat Dich schon öfter g'lobt.“ kann a nur Guat's sag'n „9 von ihr. „Sie is a richtig's Weibsbild, das is wahr,“ bestätigte er. Nach einer Pause, während welcher er sinnend zu Boden geblickt hatte, setzte er hinzu: „Und den Lohn muß i halt noch voll¬ ständi' macha, net wahr, Verena? — „Wenn ja, wenn Du moanst, 7 i daß Er war schon in die Stube getreten und das Krachen der Thüre ließ sic mitten in ihrer verlegenen Antwort ver¬ stummen * Von diesem Tage an zeigte sich der Müller ausnehmend gütig gegen Verena. Wo immer er ihr im Hause be¬ gegnete, hatte er ein freundliches Lächeln für sie und Monie gegenüber sprach er sich oft lobend aus über das hübsche flinke Mädchen, das es ja auch so schön verstanden hatte, seiner kleinen Liese Herz zu gewinnen. Monie hörte es ruhig mit an und es schien, als stimme sie ihm völlig bei. Doch hätte ein auf¬ merksamerer Beobachter als er sehen können, wie es heiß aufflammte in ihren sonst so frommen blauen Augen, sobald auf Verena die Rede kam. Und wenn letztere sich mit dem Kinde zu schaffen machte, dann fand sie jedesmal einen Vorwand, sie schnell wegzuschicken, um selbst mit Liebkosungen und süßen Schmeichelworten auf die Kleine ein¬ dringen zu können. Den Müller umgab sie mit aller erdenklichen Sorgfalt und nicht selten fühlte er sich durch ihr stetes Fragen und Forschen nach seinen Wünschen peinlich berührt, zumal er bei seinen von Natur aus rohen und herben Wesen jeder Hätschelei abhold war. Nichtsdesto¬

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