Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

schon am ersten Tage als ernste, strenge Herrin gegenübertrat, waren von ihr nicht sonderlich erbaut, und eine Magi kündigte sogar den Dienst, da sie eine scheinheiligen Betschwester nicht unterthan sein wollte, wie sie sagte. Die erwähnte Magd hatte früher bei dem Weiherbauern in Dienst gestanden und ihre dort ge¬ machten Erfahrungen mußten also nicht die besten sein, weil sie Monie's weger eine so gute Stelle, wie die in der Wolfs¬ mühle, aufgeben konnte. Monie schien es sehr zufrieden und es war, als ob ihre blaßblauen Augen unter der Schaar der die Uebrigen schon Diejenigen suchten, ihrer Ansicht nach der „frechen, gottlosen Dirn“ nachgesandt zu werden verdienten Ein Ersatz für dieselbe fand sich bald darauf in der Person eines neunzehn¬ jährigen Mädchens, dessen Eltern, einst angesehene Bauersleute, um Haus und Hof gekommen waren durch verschiedene Unglücksfälle, besonders aber durch den Leichtsinn und die Proceßsucht des Vaters. Letzterer war vor Kurzem gestorben uni seine Witwe somit gänzlich auf die Mild herzigkeit wohlhabender Verwandten an¬ gewiesen. Die Tochter aber mußte sich unter fremden Leuten ihr Brot ver¬ dienen. Verena, so hieß sie, fügte sich geduldig in ihr Los. Sie tröstete die tiefgebeugte Mutter mit dem Hinweis auf ihre that kräftige Jugend und meinte, sie werde sich nach und nach schon so viel erübrigen daß sie einst ein kleines Gütchen kaufer und auf demselben mit ihr zusammen¬ leben könne. Und diese Aussicht verliel ihr selbst einen Muth und einen Ernst der für ihre neunzehn Jahre bewunderns¬ werth war. Monie hätte sich keine ge¬ schicktere Magd wünschen können, als Verena, der es augenscheinlich eine Lust bereitete, sich überall nützlich machen zu können. Mit der Zeit milderte sich auch ihre Trauer um den Vater und dann begann sich das Jugendblut wieder in ihr zu regen. Nicht selten geschah es daß ein frohes, wohlklingendes Lied durch das alte Müllerhaus scholl und daß dann 3 die Burschen und Knechte aufhorchten als solche langentbehrte Töne ihr Ohr berührten Der Wolfsmüller kümmerte sich wenig um die weiblichen Unterthanen und ihre Pflichten und doch fiel ihm Verena bald auf. Als Monie ihm mitgetheilt, daß sic eine neue Magd gedungen, hatte er nur gleichgiltig mit dem Kopfe genickt. Als ie ihm später von den Vorzügen derselben erzählte, war ihr wieder nur das ihm eigene Kopfnicken zur Antwort geworden Eines Tages aber, als er eben von einer Geschäftsfahrt zurückkehrte, hörte er im Garten hinter dem Wohnhause frohes Kinderlachen und eine sanfte, weibliche Stimme, welche er nach einigem Nach¬ sinnen als die der Magd Verena erkannte Er schritt bis zur Gartenthüre und sah wie Verena sich mit Lieschen, das erst vor Kurzem gelernt hatte zu gehen, im Grase tummelte. Das Kind hatte sie an der Schürze gefaßt und jubelte hell auf als es Verena trotz aller scheinbaren Bemühungen nicht gelang, ihm zu ent¬ fliehen. Und plötzlich hob sie es mit beiden Armen auf, küßte es und sagte zärtlich „Du armer, schlimmer Patsch Du, koa' Muatta mehr! hast „Verena, Verena!“ scholl es dann in ärgerlichem Tone vom Hause her. Verena eilte mit dem Kinde an dem Müller vorüber, ohne auf ihn zu achten, und wurde von der Monie mit der mi߬ muthigen Frage empfangen: „Wo steckst denn heut' nur all'weil, daß man Dich net hab'n kann, weni man Dich braucht?“ „I hab' mit dem Liesei nur a Zeitl g’scherzt, weil's gar so trauri' d’rein¬ g'schaut hat, das arme Ding.“ „Ah, bist leicht weg'n der Liese ein¬ g'stellt word'n?“ lautete die ziemlich scharfe Erwiderung Monie's. Und indem sie einen schnellen Seitenblick auf den Schwagen warf, nahm sie Verena die Kleine aus dem Arm, küßte dieselbe und ging in —Verena stand da mit das Haus. Es rothem Gesicht und bebenden Lippen

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