Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

86 Skandinavien. Der Mälarsee war in der Nacht vom 16. den 17. Mai 1900 der Schauplatz eines auf furchtbaren Verbrechens. Ein entlassener Sträf¬ —geboren den John Filipp Nordlund ling, März 1875 in Säter — hatte in Asboga 23. den Dampfer „Prinz Karl“, welcher den Ver kehr zwischen diesem Städtchen und Stockholm vermittelt, bestiegen und richtete dann während der Fahrt unter der Mannschaft und den Passa¬ gieren ein förmliches Blutbad an. Mit Messer und zwei Revolvern bewaffnet, tödtete er der Capitän des Schiffes sowie drei Passagiere und verwundete überdies mehrere andere Personen, von denen vier schwer verletzt in Stockholm gelandet wurden. Die Annäherung des Dampfers „Köping“ — in der welcher —von Stockholm kommend Mordnacht das „Todtenschiff“ in einer der ein amsten und gefährlichsten Buchten des Mälar¬ ees antraf und dessen Capitän, durch das Still¬ liegen des Schiffes und die auf demselben herr chende eigenthümliche Ruhe bewogen, Ma߬ regeln traf, den Stand der Dinge an Bord des „Prinz Karl“ zu untersuchen, veranlaßte den Massenmörder, auf dem einzigen Rettungsboot des „Prinz Karl“ die Flucht zu ergreifen, doch wurde er schon am nächsten Tag in der Station Skogstorp verhaftet. Schweiz. Das schweizerische Volk hat am 20. Mai das Bundesgesetz, betreffend die Einführung der obligatorischen Kranken= und Unfallversicherung an der die eidgenössischen Kammern zehn Jahre lang gearbeitet haben, mit rund 340.000 gegen 145.000 Stimmen verworfen. Damit war auch die in das Gesetz einbezogene schweizerische Militärversicherung gefallen und der Gedanke der obligatorischen Versicherung für lange Jahre hinaus begraben. Spanien. Der Versuch des Ministeriums Silvela die Steuerschraube fester anzuziehen, welcher auch in dem den Cortes vorgelegten Budget zum Aus¬ drucke kam, veranlaßte die vereinigte Opposition n der Budgetdebatte zur Obstruction zu greifen was das Ministerium bewog, am 22. Juli 1900 das vorgelegte Budget bis zum Herbste zurückzu¬ ziehen und das Versprechen abzugeben, bis dahin Ersparungen im Betrage von circa 30 Millionen vorzunehmen, sowie auch die neuen Steuergesetz weniger drückend zu gestalten. Die Budget= und Steuerschwierigkeiten, mit welchen die Regierung zu kämpfen hatte, führten am Ende September zu einer partiellen Ministerkrise, indem Kriegs¬ minister Polavieja aus dem Ministerium schiel und an seine Stelle General Azcarraga in das Cabinet eintrat. Im Mai 1900 führte die strenge Eintreibung der neuen Steuern, respective diese selbst und andere mißliebige Maßnahmen der Regierung zu blutigen Revolten, in deren Folge über die vier catalonischen Provinzen und auch über die Provinz Madrid am 21. Juni der Ausnahmszustand verhängt wurde. Vortugal. Am 24. Juni 1900 übernahm in Portugal ein neues Ministerium unter dem Präsidium Hintze=Ribeiro's die Leitung der Staats¬ geschäfte. In Oporto brach im August 1899 die Beulenpest aus; bis 1. September waren 60 Er¬ krankungen vorgekommen, von denen 24 tödtlich verliefen; der Ausbruch der Epidemie wurde durch zwei Tage verschwiegen, was wohl die Verbreitung der Krankheit begünstigte, die bis zum Schlusse der Berichtsperiode noch nicht voll¬ tändig aus Portugal verschwunden zu sein scheint. Belgien. Am 1. Juni 1900 wurde die Verlobung Kronprinzen Albert mit der Herzogin des Eli abeth von Bayern amtlich proclamirt Die infolge der Einbringung des famosen clericalen Wahlgesetzentwurfes des Ministeriums Vandenpeereboom heraufbeschworenen blu¬ tigen Wirren in Belgien führten am 27. Juli zu einer internen Ministerkrise, da die im Schoße des genannten Ministeriums selbst zu¬ tage getretenen Meinungsverschiedenheiten nicht mehr zu überbrücken waren. Ein Theil der Minister ging mit Woeste, erklärte sich offen gegen Vandenpeereboom und Scholaert, und gab diesen die Schuld an der verhängni߬ vollen Politik, welche Ende Juni 1899 zu den furchtbaren Straßenkämpfen in Brüssel geführt hatte. Am 31. Juli verwarf der Wahlreform¬ ausschuß, dem auf Grund des Compromisses vom 4. Juli der Wahlgesetzentwurf Vanden¬ peereboom's zugewiesen war, alle ihm vor¬ liegenden Anträge; der Regierungsentwurf er¬ hielt keine einzige Stimme. Infolge dessen gab das Ministerium am 1. August seine Demission, welche auch angenommen wurde. De Smet de Nayers, der Vorgänger des gestürzten Pre¬ miers, gleichfalls ein Clericaler, doch von weit gemäßigterer Färbung als Vandenpeereboom trat an die Spitze des neuen Cabinets. Die beiden Hauptprogrammpunkte des neuen Cabinets bildeten die Proportionalwahlen und die Heeres¬ reform. Einen parlamentarischen Beschluß des Armeeausschusses, betreffend die Herabsetzung der activen Dienstzeit, beantwortete das neue Cabinet am 1. Mai 1900 mit der Androhung einer Demission. Zu einer Verwirklichung dieser Drohung kam es jedoch nicht. Nachdem die vom Ministerium eingebrachte, auf dem Proportional¬ Systeme beruhende Wahlreform angenommen

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