Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

Jakob lief mit unbändigem Geschrei davon und hatte alle Lust an dem ergötz¬ lichen Schauspiel verloren, das so tragisch für ihn endete. Der Brunnhuberbauer erstand einen neuen Strohhut, dann machten sich Beide von dem Trubel los und suchten nicht weit von der Bahnstation einen stillen Wir hshauswinkel auf, in dem sie sich nach den ausgestandenen Strapazen endlich tärken konnten. Im Laufe des Nachmittags war der Wirthsgarten aber derart voll geworden, daß kein freies Plätzchen mehr übrig blieb. Eine Musikbande hatte ebenfalls ihren Sitz dort aufgeschlagen und nun ging es lustig und fidel her Der Brunnhuberbauer hatte einige Kameraden angetroffen und leerte ein Seidel um das andere. Sein Gesicht das ohnehin eine kupferrothe Färbung hatte, ging allmälig in eine bläuliche über. Später wurde Karten gespielt, ge¬ lärmt, gepoltert und gestritten, und über all dem Tumult war dem Brunnhuber¬ bauern das Bewußtsein verloren ge¬ gangen, daß er noch einen Schützling sich führte bei Dieser hatte sich allmälig von dem Biertisch entfernt, war auf die Wiese hinausgerathen, fing Käfer zusammer und rannte den Schmetterlingen nach, die vor ihm auf= und abgaukelten, warf einen Strohhut bald hierhin, bald dort¬ hin, so daß derselbe schon ganz bedenk¬ liche Flecken aufzuweisen hatte. Es ging gegen 6 Uhr Abends. Die Angeheiterten rüsteten sich zum Heimweg Der Brunnhuberbauer überschätzte eben den ganz erheblichen Gewinn, den er im Kartenspiel gehabt, da gab es am jenseitigen Ende des Gartens einen Auflauf. Jung und Alt strömte hinzu und gruppirte sich um einen Mann, der einen kleinen Buben im Arme hielt. Den legte er auf eine Wirthshaus¬ bank und bearbeitete ihn derart mit den 37 Fäusten, daß ihm der Schweiß von der Stirne rann. Der Junge gab keinen Laut von sich und ließ Alles empfindungslos mit sich geschehen. Als der halbbetrunkene Brunnhuberbauer sich durch die Menge chob und des Knaben ansichtig wurde, kam ihm plötzlich das Bewußtsein mit einer niederschmetternden Klarheit. „Jakob!“ rief er im Tone höchsten Entsetzens. „Jakob, was ist mit Dir? Ertrunken ist er,“ gab der Mann zur Antwort. „Drüben aus dem Kammerweiher haben wir ihn gezogen! Hat noch ein paar Mal geschnappt, der arme Kerl aber etzt ist's aus mit ihm.“ Gehört Euch der Bub? Ihr seid mir ein sauberer Patron! Hockt sich da her und sauft, dieweil sein Bub er¬ trinkt!“ „Das ist ja dem Lenz von Haidach seiner!“ rief ein junger Bursche da¬ zwischen. „Der Teufel, Brunnhuber! In Deiner Haut möcht' ich auch nicht stecken!“ Gebt mir den Buben her!“ schrie dieser unbändig. „Was glotzt Ihr mich an? — Scheert Euch Eurer Wege 0 und ich geh’ die meinen.“ Dann nahm er die kleine Leiche an sich und ging mit wankenden Schritten davon Der Biertaumel war ihm mit einem Male verflogen, dafür aber saßen ihm alle Geister der Verzweiflung im Genick. Hätte in diesem Augenblick Jemand sein eigenes Leben gefordert, es wäre ihm dieses nicht so schrecklich gewesen, wie der Gedanke, was nun jetzt aus ihm werden solle, Als er vor das Haus des Amts¬ richters kam, blieb er eine Weile un¬ chlüssig vor demselben stehen. Dann aber trat er gefaßt hinein. „Herr Amtsrichter,“ sagte er, als dieser vor ihm stand, „seht her; ich bin chuld daran, daß der Bursche hier er¬ trunken ist. Ich bin sein Mörder! Macht — Von morgen was Ihr wollt mit mir. ab ist der Brunnhuberbauer Euer Ge¬ angener. — Nur nicht viel Federlesens!

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