Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

26 Jausen war entrüstet aufgesprungen, als er das Wort vernahm. Doch ehe er ein Wort erwidern konnte, öffnete sich die Thür und Frau Anni trat aufgeregt herein: „Philipp! Philipp!“ rief sie, blieb jedoch erschrocken stehen, als sie die Herren bemerkte. Das Schlafzimmer, n dem sie Toilette gemacht hatte, lag so abgesondert, daß sie von der Ankunft der seltsamen Besucher nichts gehört hatte. Entschuldigen Sie, meine Herren, agte sie verwirrt, ich wußte nicht, daß Sie hier seien. Sie wollte schnell zurücktreten, doch noch schneller war der Beamte an ihrer Seite. „Verzeihen Sie, gnädige Frau, was ist das für ein Päckchen, das Sie dort inder Hand haben?“ fragte er eifrig. „Das Päckchen? Ich weiß es nicht, stammelte sie. Aber ich weiß es,“ sagte der Be¬ amte triumphirend, indem er das Päckchen ich nahm. „Herr Holdheim, kenner an Sie dieses Päckchen?“ fragte er dann sich an den Cassier wendend. „Allerdings“ meinte dieser und that, ei er im höchsten Grade überrascht als sind die Banknoten, die ich ver¬ „Es mißte. Jansen war bleich wie der Tod ge¬ worden, als er die letzten Worte hörte „Um Gottes Willen, Frau!“ rief er verzweifelt, „wie kommst Du zu dem Päckchen?“ „Ich fand es in einer Tasche Deines Ueberziehers,“ antwortete die junge Frau, indem sie angstvoll auf den Gatten blickte, der sie wie ein Wahnsinniger an¬ starrte. —der — Tasche meines „In Ueberziehers?“ kam es zitternd von Jan¬ sen's Lippen. „Mein Gott, bin ich denn wahnsinnig geworden! Aber so sehen sie mich doch nicht an, als wenn ich ein Dieb wäre! Sie, Herr Eisfeld und Sie Herr Walther, Sie können doch nicht glauben, daß ich Ihnen etwas genom¬ men habe?“ „Ich kann es nicht glauben und will es nicht glauben,“ erwiderte Eisfeld, „aber haben Sie denn keine Erklärung da¬ für, wie die Noten in die Tasche Ihres Ueberziehers gekommen sind?“ „Nein, ich weiß es nicht,“ erwiderte verzweiselnd der unglückliche Jansen „Der Teufel selbst muß seine Hand im Spiel gehabt haben, ich weiß es nicht.“ „Aber um Gottes Willen!“ rief Frau Jansen, angstvoll von Einem zum Andern blickend, „was bedeutet dies Alles?“ „Das bedeutet,“ erwiderte der Be¬ amte, „daß diese selben Banknoten im Betrage von 10.000 Mark, die Sie so¬ eben im Ueberzieher Ihres Mannes ge¬ funden haben, gestern aus dem Geld¬ schrank der Firma Eisfeld und Walther gestohlen wurden.“ „Philipp, um Gottes Willen!“ kam es mit einem erschütternden Schrei von Frau Anni's Lippen. „Aber das ist ja Thorheit“ fuhr sie fort. „Mein Mann sollte — nein, Gott bewahre mich, daß ich auch nur daran denken sollte. So ag' doch, Philipp, wo dies Päckchen herkommt.“ „Ich weiß es nicht, mein Annerl! rief in wilder Verzweiflung Jansen „bei Gott, ich weiß es nicht. Der einzige Mensch im Zimmer, der wirklich wußte, daß Philipp Jansen die Wahrheit sprach, sagte nichts. Wohl war er nicht schlecht genug, um nicht tausend Mal die That zu bereuen, als er den Jammer der jungen Frau sah, doch Alles vieder gut zu machen dadurch, daß er sich als Thäter hinstellte, dazu fand er nicht den Muth „Sie irren sich auch nicht, Holdheim?“ wandte sich Walther zu diesem; es ist wirklich dasselbe Päckchen, das Sie ver¬ mnissen? Es ist leider kein Zweifel möglich, Herr Walther. „Auch der Inhalt stimmt,“ bemerkte der Beamte, der das Päckchen inzwischen geöffnet hatte. „Es sind 10.000 Mark darin. Es bleibt mir hiernach nichts Anderes übrig, als Sie, Herr Jansen,

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