Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1901

22 Ich denke, Christabend ist gerade eine recht passende Gelegenheit dazu, und wir können ihm gewiß kein besseres Christ¬ geschenk machen.“ „Wir wollen die Sache doch lieber erst im Einzelnen klarstellen. Ich möchte gerne mehr Zeit zum Reisen gewinnen; deshalb wünsche ich die Obliegenheiten meiner Stellung zum Theil auf andere Schultern zu legen, und dafür kenne ich keinen geeigneteren Mann als Philipz Jansen, dem wir viel Dank schuldig sind Um ihn noch mehr an uns zu ketten wollen wir ihm einen kleinen Antheil am Geschäft übertragen; damit wird unser Interesse auch das seinige. Wir übergeben ihm außerdem Procura und gewähren ihm ein festes Gehalt von 5000 Mark. Ich zweifle nicht, daß wir selbst auf die Dauer dabei nur gewinnen werden, denn er ist ein sehr fähiger Mensch und ein echter Geschäftsmann. „Meinetwegen,“ sagte Herr Eisfeld. „Wenn Sie wirklich glauben, daß wir so auch für uns selbst am besten sorgen so habe ich nichts dagegen. Haben Sie Ihre Weihnachtseinkäufe schon beendet! Wollen wir nicht gleich mit Jansen sprechen?“ „Gewiß. Ich dachte nicht daran. Sie wollen eine Sache erst zum Schluß bringen, ehe Sie eine andere anfangen: erwiderte Walther lächelnd. „Ganz recht, so habe ich's stets ge¬ halten. Zu viel Eisen im Feuer ist nicht gut. Immer bei der Sache bleiben, das ist .mein Grundsatz, und damit bin ich geworden, was ich bin!“ „Ein großer Kaufmann und ein ganzer Mann!“ meinte Walther, mit auf¬ richtiger Bewunderung dem Partner nach¬ blickend der hinausging, um Philipp Jansen herbeizuholen. Einige Augenblicke später stand der Buchhalter Philipp Jansen vor seinen Chefs, die ihn mit ungewöhnlicher Zuvor kommenheit begrüßten Setzen Sie sich, lieber Jansen, sagte Walther, indem er zugleich den Buchhalter eine Cigarre anbot, was nur in den seltensten Fällen vorgekommen war Philipp Jansen folgte etwas erstaunt Einladung und kam zufällig mitten der zwischen seine beiden Chefs zu sitzen. Sehen Sie, lieber Jansen, meinte Eisfeld scherzend, „da haben Sie ja gleich den rechten Platz. „Wie meinen Sie, Herr Eisfeld? fragte Jansen, einigermaßen verwirrt. „Wie ich's meine, Jansen?“ erwiderte Herr Eisfeld. „Nun, zwischen uns, wie Sie jetzt sitzen, soll in Zukunft Ihr Platz sein. Wenn Sie wollen, können Sie in ein näheres Verhältniß zu uns treten, als es das in den letzten zwanzig Jahren war Wir wollen Ihre treuen und aufopfernden Dienste dadurch anerkennen, daß wir Ihnen einen Antheil am Geschäft geben und Sie zum Procuristen mit einem Gehalt von 5000 Mark machen. Sie werden in Zukunft einer von uns sein. und ich denke, wir werden gut zusammen auskommen.“ Philipp Jansen glaubte zuerst, ei dürfe seinen Sinnen nicht trauen. Das Alles war ihm so plötzlich gekommen und überstieg so sehr seine kühnsten Erwar¬ tungen, daß er nur mit Mühe seinen Dank zu stammeln vermochte „Ich hoffe,“ meinte Herr Walther „daß Sie in den Fußstapfen unseres verehrten Eisfeld wandern werden, dessen Obliegenheiten Sie zum Theil übernehmen sollen, und daß der Ruf der Firma bei Ihnen alle Zeit in guten Händen sein wird.“ „Ich danke Ihnen, meine verehrten Herren,“ erwiderte Jansen mit über¬ quellender Dankbarkeit; „ich danke Ihnen vom Grunde meines Herzens. Ich hoffe zuversichtlich, daß ich mich alle Zeit Ihrer Güte und Ihres Vertrauens würdig zeigen werde. Während diese Vorgänge sich in dem Privatcomptoir abspielten, hatte der Cassier Adolf Holdheim, der in dem angrenzenden Raume arbeitete, horchend an der Thür gestanden. Eisfeld hatte unvorsichtiger¬ weise die Thür nicht fest geschlossen, und so hatte Holdheim Alles gehört, und

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