Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

geritten. Er war schon herüber der Brücke und Kurt vermochte ihm nicht mehr un¬ gesehen auszuweichen, so gern er es ge¬ than hätte, denn er war dem rohen Pürchinger nicht sehr hold. So blieb er denn an der Kirchenthür stehen und wartete den Vorbeiritt seines Gebieters ab, damit es nicht aussähe, als scheute er den Anblick seines Herrn, vor dem er nun grüßend die Filzmütze zog. Diesmal war es gut, daß der Kurt □ stehen geblieben war, denn der Pürchinger hielt vor ihm das Pferd an, und den Alten durchdringend und bös ansehend, sagte er: „Dacht' schon, Du würdest ausreißen, Alter —hast Dich aber just noch zur rechten Zeit besonnen und mir den pflicht¬ schuldigen Gruß geboten! „Wüßt' nit warum ich meines Herrn Anblick meiden sollt'“ entgegnete der Kurt überrascht,„auch weiß ich g'rad' lang genug, daß der Diener den Herrn zu grüßen hat.“ „Auch das, daß der Diener nicht hinter dem Rücken seines Herrn gegen diesen und seinen Willen Unfug treiben darf?“ fragte der Pürchinger und seine Augen flammten den Kurt an, daß diesen sogleich das Gefühl überkam: der hat was gegen Dich, Kurt, Du bist verzunden! Daher beeilte er sich zu sagen: „Auch das—und hab' es bisher auch treu gehalten —“ „Bisher“ höhnte der Pürchinger und schlug mit der eisenbehandschuhten Faust vorne auf den Sattelknopf, „und wie wird's in Hinkunft sein, he? 77 „Doch nit anders, vermein' ich sehr Der Kurt sagte das so ehrlich so treu im Ton und so fest zugleich und hielt den forschenden Blick des Pürchinger so tapfer aus, daß dieser ziemlich ruhig agte: „Wollen's glauben, Alter, stimmt, was Du sagst, mit dem, was mir ver¬ meldet worden, magst um die garstige Sache nichts wissen, wollen es aber unter¬ suchen! Bring' sofort Deine Tochter und den, — wie heißt er doch schnell, der freche Geselle, ja doch, — den „grauen Jörg 105 hinauf in's Lager, will sehen, ob Du ein gutes Gewissen hast! Spute Dich!“ Und ohne Gruß trabte der Pürchinger die Höhe durch die heutige Gleinkergasse hinauf. Der alte Kurt aber sah ihm auf¬ geregt und wohl, zum erstenmal im Leben von leiser Furcht erfaßt nach. Was um aller Welt war denn geschehen daß der Pürchinger Gericht halten wollte? Und das würde ein Gericht sein über ihn, über die Rosel und den grauen Jörg, und wehe ihnen dreien, wenn der Pürchinger in der Sache, in der er sie rufen ließ, ein Haar fand! Und der fand gar so leicht viele Haare in jeder Sache! Und von großer Besorgniß und den düstersten Ahnungen geplagt, eilte der Alte heim und vergaß diesmal in seiner Erregung ganz, beim Mittagsgebetläuten, das von der Spitalskirche herab ertönte, das Haupt zu entblößen und den englischen Gruß zu beten Daheim angelangt, befahl er der Rosel, ihm zu sagen, was denn los sei was sie und der Jörg denn gethan hätten das den Zorn des Pürchinger so errege, und theilte ihr mit, daß sie alle drei hinauf in's Lager müßten, Red' und Antwort zu stehen. Die Rosel erschrack nicht wenig, aber nicht um sich, sondern wegen des Vaters und auch wegen des Jörg, und sie beichtete ihrem Vater, was sie gestern versucht zu thun, und bat weinend um Verzeihung. „Es sei unüberlegt ge¬ wesen, das wisse sie, aber sie habe halt den Caspar gar so viel gern und nicht anders handeln können, die Lieb' habe sie gezwungen zu versuchen, den Caspar zu befreien, schluchzte sie am Halse des Alten. Der that gar böse, aber er brachte es doch nicht über das Herz, der Rosel jetzt g'rad’ zu sagen, daß sie ihn recht „falsch“ gemacht habe, er brummte nur: „Die Lieb' ist blind und hat nur Augen, aber keinen Verstand — Gott verzeihe Dir und helfe uns aus der schlimmen Patsche! Ich hoff', der Pür¬ chinger wird's nicht allzu schlimm nehmen, aber strafen wird er Euch Zwei schon derb genug! Jetzt hol' den Jörg und dann hinauf in's Lager!“

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