Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1900

30 bisher hast Du Allem oder beinahe Allem, was die Hausfreundin vorbrachte, ent¬ gegengestimmt, hast fast immer ihrem Rathe entgegengehandelt, oft nur aus leidiger Oppositionslust oder auch aus Aerger?! Nicht wahr? Siehst Du! Nun also mache die Sache umgekehrt. Stimme ihren Ansichten und Meinungen lebhaft und interessirt bei, auch wenn es gegen Deine Frau geht, ja, da gerade noch am eifrigsten; handle genau nach den Rath¬ chlägen der Freundin und vor Allem sprich hinterrücks von dieser Dame kein abfälliges Wort über sie, lobe sie viel mehr Deiner Frau gegenüber über alle Maßen. Du wirst sehen, das hat Erfolg. Denn da müßte Deine Liese wirklich nicht im Geringsten zur Eifersucht dis¬ ponirt sein, wenn sie hierauf nicht herein¬ fiele!“ Herrn Maller's Augen hatten auf¬ geleuchtet. „Das probir' ich!“ sagte er. Als er zwei Stunden später zu seiner Frau heimkam, erwartete sie ihn in Wohnzimmer mit schmollender Miene „Du, sagte sie, „das ist doch wirklich nicht schön von Dir, daß Du so lange ausbleibst und mich so einsam zu Hause sitzen läßt!“ Auch die liebe Minna sagte, als sie vor einer Stunde heimging: „Nein Du, eine Stunde ließe ich mir schon gefallen, aber zwei oder drei sind zu viel, zu viel!“ „Recht hat sie, man muß es ihr lassen!“ versetzte Leopold. „Ich habe mir dasselbe auf dem Heimweg gedacht und mir vorgenommen, niemals wieder längen wie ein Stündchen auszubleiben. Frau Liese schaute mißtrauisch ihren Mann an, doch der Ausdruck seiner Züge war ein ruhiger, ernster. Sie schüttelte verwundert den Kopf und ließ sich auf keine weitere Debatte ein. Am nächsten Morgen, als sich Herr Maller eben angekleidet hatte, um ins Bureau zu gehen, kam Fräulein Minna in sein Heim. Frau Liese richtete eben die Vormittagsjause für ihren Mann: sie schlug ein Stückchen Schinken und eine Semmel in ein Papier und steckte ein Fläschchen Wein in die Tasche seines Ueber¬ ziehers. Mißbilligenden Blickes schaute Fräulein Minna dem zu, dann äußerte ie weise: „Ach Du, liebes Lieschen, das thäte ich nicht, meinem Mann eine Vor¬ mittagsjause mitzugeben. Er verdirbt sich ja den ganzen Appetit damit. Zu Mittag ißt er Dir dann beinahe nichts oder wenigstens schmeckt es ihm nicht.“ Frau Liese sah, innerlich schwankend, erst auf ihren Mann und dann auf die gefüllten Rocktaschen. Er aber griff sofort in dieselben und packte in größter Gemüths¬ ruhe Alles wieder aus. „Daran habe ich wirklich gar nie gedacht, bestes Fräulein!“ agte er lebhaft. „Nun verstehe ich erst, warum mir zu Mittag oft gar nichts schmecken will. Sie haben recht, ganz recht!“ „Nun also!“ machte das Fräulein und warf Frau Liese einen über den Sieg triumphirenden Blick zu. Frau Liese fühlte ein leises Unbehagen; es wäre ihr lieber gewesen, Leopold hätte widersprochen und die Ansicht Minna's nicht befolgt. Aber ihr Unmuth verflog chnell, ihr war Anderes in den Sinn gekommen. „Richtig, was ich Dir noch sagen wollte, Männchen!“ wandte sie sich an den Gatten: „Gestern hat mir der Kauf¬ — mann Muster für Kleider mitgegeben. —nun Du weißt, ich benöthige eines möchte ich Dich fragen, was für eines ich mir kaufen soll? Hier sind die Muster, chau einmal!“ Schneller wie Herr Leopold beugte sich Fräulein Minna über die vorgelegten Muster. Sie deutete auf ein dunkelbraunes und meinte: „Sieh, das erachte ich für Dich passend; Du bist bereits verhei¬ ratet, da sind die hellen Muster nicht geeignet.“ „Und warum nicht?“ widersprach Frau Maller. „Ich bin ja noch eine junge Frau, warum soll ich mich schon o dunkel kleiden? Leopold, schau, dies gelbliche mit den blauen Blümchen möchte ich! Das gefällt mir.“ Er wiegte bedenklich den Kopf. „Ich inde, daß dies gar nicht paßt für Dich.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2