Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

18 „So werd' ich ihn dazu zwingen. Denn nimmermehr werd' ich zugeben, daß auf Eurer Ehre ein Makel haften - bleibt, aus unserem Verschulden." Aber Engelbrecht hatte doch Recht gehabt, der Junker bezeigte wirklich nicht die mindeste Lust, den Forderungen der Leißlinger entgegen zu kommen. „Eine Keckheit ist es von groben Bauersleuten, solche Forderungen zu stellen an einen Edlen. Mit der Hetzpeitsche sollt' man sie traktiren." Clarissa richtete sich empor: „Ich habe den Bauern Dein Kommen zugesagt; willstDu mich wortbrüchig machen?" Der Junker lachte zornig: „Pah, ein Weib kann' nicht gutsagen für einen Mann!" „Auch gut!" erwiderte Clarissa, aber die Zornesader schwoll auf ihrer Stirn, „Und wenn Du Dich auch nicht fügen willst dem Recht, das in meinem Frieden gilt, so kannst Du doch nicht fordern, daß ich nicht mein Hausrecht gegen Dich gebrauche. Wenn bis zum morgigen Mittag den Leißlingern nicht Genugthuung geboten ist, so werde ich Dich aus der Burg stoßen, und solches den Geschädigten ansagen lassen. Nun wähle!" Da endlich entschloß sich Hermann doch zu einer Entschuldigung. — Den andern Mittag ritt er, begleitet vom Vogt und zwei Knechten, nach Leißling hinunter. Clarissa hatte zum Abschied Engelbrecht die Hand gereicht: „Euch bind' ich den Vetter auf die Seele. Bringt ihn mir wohlbehalten zurück, denn Ihr wisset, wie werth er mir ist!" Auf dem Kirchplatz warteten seiner bereits der Dorfschulze, der Schmiedlutz mit seinem Sohn und um sie her die Befreundeten. Aber nicht bloß der Junker, auch die Bauern waren in Waffen gekommen. Mit Genugthuung sahen sie auf den feinen Herrensohn, der sich nun demüthigen sollte vor ihnen, nachdem er sie in seinem Uebermuth gekränkt. Der Junker sah finster in ihre höhnischen Gesichter. Scham und Wuth rangen in ihm, daß sie ihn so auf offenem Platz erniedrigen wollten. Eugelbrecht sah die unheimliche Stimmung. Er wollte säuftigend vermitteln. Darum ritt er dicht zum Schulzen und bot ihm ein Säcklein mit Kupfermünzen vom Pferd herab. „Wir sind gekommen, wie ich Euch das Wort gegeben. Die Herrin sendet Euch die Buße für den Weidfrevel. Der Junker aber bedauert aufrichtig, daß solcher Friedbruch durch ihn geschehen. Doch nicht vorsätzlich hat er sich vergangen, vielmehr in Unkennt- niß der Grenze und gereizt durch den unhöflichen Ton Eures Buben." Der Schulze wiegte bedächtig mit dem Kopf. „Ihr seid ein trefflicher Redner, Vogt, und ein so redlicher Mensch, als einer nur je auf einem Herrenhaus gesessen. Und wenn Ihr der Uebelthäter gewesen wäret, so sollte Alles aus und vorbei sein und wir wären es zufrieden. Aber es war der Junker und von ihm selber wollen wir die Entschuldigung hören!" Engelbrecht nickte: „Darum auch ist der Junker gekommen," und er sah nach Hermann hinüber, daß dieser nun endlich das rechte Wort finden möge. Der aber nagte trotzig an seiner Unterlippe und schwieg. „Nun", fragte der Schulze ungeduldig, „wirds Euch so schwer, Euer Unrecht einzugestehen, gestrenges Junkerlein?" Das reizte den jungen Edelherrn aufs Aeußerste: „Was wollt Ihr Bauernpack? Soll ich Euch etwa um Verzeihung bitten, daß ich dem Schmiedtölpel mein Herrenrecht gewiesen? Nein, sag' ich Euch, und abermals nein! Meine Geduld ist zu Ende!" Noch einmal wollte Engelbrecht begütigen: „Junker, ich bitt' Euch!" Aber Hermann hörte nicht auf ihn. „Ich will nicht! will nicht!" Da reckte des Schmied- lutzen Faust sich drohend empor. „So fordern wir unser Recht: Blut um Blut! Zahn um Zahn! Hat der gestrenge Junker die Waffe gehoben wider meinen Buben — heben wir sie wider den gestrengen Junker!" und im Augenblick waren rings alle Waffen bloß; Bauern- flammberge zuckten aus der Scheide und Sensen blitzten wider ihn andrängend durch die Luft. Auch Hermann und die Knechte zogen vom Leder; aber nur zu schnell waren sie entwaffnet und vom Roß gezerrt. Wie die Hetzmeute auf den Hirsch, warfen sich die Bauern auf den Herrensohn. Engelbrecht hatte absichtlich am allgemeinen Kampf nicht theilge- nommen; jetzt rief er mit gewaltiger Stimme dazwischen: „Höret, Ihr Männer von Leißling, jetzt seid Ihr so wenig M Recht, wie vorhin der Junker. Eure Klage könnt Ihr vor ein ehrlich Gericht bringen, nicht aber Euch Euer Recht selber nehmen nach eigenem Dafürhalten. Lasset also ab von dem Junker und ich selbst will Euch als redlicher Zeuge dienen wider ihn." Der Schulze und der alte Schmied traten zurück: „Er mag Recht haben!" <tber des Schmiedes Sohn schwang seine 19 Sense gewaltig gegen den Junker: „Ich will meine Sühne jetzt und gleich haben!" Die schneidige Klinge pfiff durch die Luft. Es gab für Hermann, der von allen Seiten bedrängt war, kein Zurückweichen. Da warf Engelbrecht sich mit seinem Leib über ihn und fing den Streich mit Kopf und Schulter auf. Einen Augenblick sauste und brauste es um ihn; ihm war, als höre er Clarisfa's Abschiedsworte: „Euch bind' ich den Vetter auf die Seele, denn Ihr wisset, wie werth er mir ist!" Mit gewaltsamer Anstrengung richtete er sich empor: „Euern Willen habt Ihr nun gehabt — Blut um Blut — jetzt gebet Frieden!" Dann sank er zurück, das Bewußtsein hatte ihn verlassen. Es hätte seiner letzten Mahnung nicht bedurft. Erstarrt standen die Angreifer vor ihrem ungewollten Opfer; aber auch der Junker kam plötzlich zu sich. Was habt Ihr gethan? Es ist Einer gefallen, der mehr werth ist, als ich nnd Ihr Alle zusammen!" 2*

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