Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

68 und nur schmerzlich bewegl ließ man ihn scheiden, als der Erzherzog nach Wien berufen wurde. Seit den Sechzigerjahren widmete sich der Erzherzog der Förderung der culturellen Entwicklung in Oesterreich-Ungarn. Viele glänzende Unternehmungen des österreichischen Kunst- und Gewerbefleißes verdanken ihm die regste FörErzherzog Kart Ludwig. derung; als Ehrenmitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften stand er auch im innigen Verkehr mit den Stützen der Wissenschaft in Wien und den Kronlündern. Sein größtes Verdienst ist aber die Förderung des Institutes des Rothen Kreuzes in Oesterreich-Ungarn, dessen Protector-Stellvertreter er war. Er scheute keine Mühe, diese über die ganze Monarchie verbreitete Organisation auszubauen und persönlich zu in- spiciren. Nichts zeugt deutlicher von dem menschenfreundlichen Sinne Karl Ludwig's, als gerade diese Thätigkeit, deren Ziel es ist, die schweren Leiden des Krieges zu mildern. Erzherzog Karl Ludwig war dreimal verheiratet. Die erste Gemahlin des Erzherzogs, Prinzessin Margaretha von Sachsen, geboren am 24. Mai 1840 zu Dresden, Tochter des Königs Johann von Sachsen, war eine sehr heitere, humorvolle Frau, welche dem'Gatten die^ kurze Zeit seiner^Ehe verschönte und besonderen Einfluß auf den Kunstsinn des Erzherzogs hatte. Die zweite Frau des Erzherzogs war die Prinzessin Maria Annunciata von Bourbon Sicilien, eine Tochter des Königs Ferdinand II. beider Sicilien, welcher Ehe vier Kinder entstammen, die Erzherzoge Franz Ferdinand, Otto^ Ferdinand Karl und Margaretha Sofie. Die zweite Gemahlin des Erzherzogs starb nach neunjähriger glücklicher Ehe. Am 23. Juli 1873 schloß der Erzherzog seine dritte Ehe mit der Prinzessin Maria Theresia, Tochter des Dom Miguel und der Herzogin Adelheid von Braganza. Der dritten Ehe des Erzherzogs entstammen die Erzherzoginnen Maria Annunciata und Elisabeth. Der verstorbene Erzherzog war ein reger Förderer von Kunst und Industrie und stand mit den Vertretern der Künste in bestem Einvernehmen. Der älteste Sohn des Erzherogs Karl Ludwig, Erzherzog Franz Ferdinand, kam Zu spät, um seinen Vater noch lebend anzu- treffen. In rührender Weise nahm Kaiser Franz Josef am Sterbelager seines Bruders von Eduard Kraf Taaffe. diesem Abschied. Nachdem die Krankheit im Verlaufe von 24 Stunden sich erheblich verschlimmert hatte, wurden dem Erzherzog bei vollem Bewußtsein die Tröstungen der Religion gespendet. Die Athemnoth nahm immer mehr Zu, die Krämpfe wurden immer heftiger, und die Herzthätigkeit hörte auf. Um 6 Uhr 33 Minuten Früh verschied der Erzherzog. Mit dem einem österreichischen Erzherzog gebührenden Pomp wurde der Verstorbene in der Kapuzinergruft beigesetzt. Hofrath Professor Widerhofer, der ben verstorbenen Erzherzog be* handelt hatte, erhielt vom Kaiser ein in unge- mein herzlichen Worten gehaltenes Dankschreiben für die aufopfernde Hingabe, mit der der be69 rühmte Gelehrte den hohen Patienten behandelte. Aber auch sonst hat der Tod reiche Ernte gehalten und so manchen braven Sohn des Vaterlandes mit sich genommen. Am 29. November 1893 starb Eduard Graf Taaffe, ein Mann, der seinem Vaterlande mit Leib und Seele ergeben war, der stets von den besten Gefühlen beseelt war und nur nicht immer so konnte, wie er wollte. Graf Taaffe, der ehemalige Ministerpräsident Oesterreichs, war zuerst Patriot und dann Staatsmann; dies erkannten selbst seine Gegner an, und dieser Vorzug machte alle seiue Fehler, die er begangen haben mochte, wieder gut. Graf Eduard Taaffe, der ebenso wohlwollend als gutmüthig war, repräsentirte ein gutes Stück des vormürzlichen Wienerthums, und seine Politik, das- „Fortfretten", ist weltberühmt geworden. Am 7. März 1867, nach dem Sturze des Ministeriums Belcredi, berief Graf Beust den Grafen Taaffe, der im Jänner desselben Jahres den Statthalterposten von Oberösterreich bezogen hatte, in sein Ministerium und übertrug ihm das Portefeuille des Innern, um drei Monate später, als Beust zum Reichskanzler ernannt war, -den Posten eines, Ministerpräsidenten- Stellvertreters zu bekleiden. Ende 1867 trat er in das unter dem Präsidium des Fürsten Carlos

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