Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

66 67 Hesterreich-Angarn. Wie im Vorjahre, so hat auch Heuer der Sensenmann in unserem Vaterlande gewüthet und eine Reihe von Männern ihrem Kreise entrissen, deren Verlust Tausende betrauern und deren Manen an dieser Stelle rühmend gedacht sein soll. Hiebei sei in erster Linie der Mitglieder unseres Kaiserhauses gedacht, die von den Stufen des Thrones fortgezerrt wurden in jenes Land, von dessen Gefilden kein Sterblicher wiederkehrt. Erzherzog «Ladistaus. Freitag den 6. September 1890 starb Erzherzog Ladislaus, der Sohn des Erzherzogs Josef, an den Verletzungen, die er sich selbst durch das zufällige Losgehen seiner Jagdflinte zugefügt hatte. Die Wunde schien anfangs ganz ungefährlich und verschlimmerte sich erst in einigen Tagen so sehr, daß der junge Prinz unter den größten Schmerzen seinen Verletzungen erlag. Der Erzherzog begab sich am Morgen des 2. September in Gesellschaft des Güter- directors Li ebitz, seinerHofbeamten und mehrerer Gäste in den Agyager Wald, wo die Gesellschaft aus Wildschweine jagte, während der Erzherzog auf Wildkatzen pürschte. Gegen 3 Uhr Nachmittags erblickte der Erzherzog eine, große Wildkatze, auf die er anlegte, und die er ancs) traf. Die Verwundung der Katze war aber keine tödtliche und dieselbe schleppte sich in das Dickicht. Der Erzherzog sprang ihr nach, wobei er die Flinte hinter sich nachzog, strauchelte über einen Baumstumpf und der verhängnißvolle Schuß ging los. Die Kugel drang Erzherzog Ladislaus oberhalb des rechten Knies in den Oberschenkel, zerschmetterte den Knochen und drang vollständig durch. Der Transport des Schwerverletzten konnte erst nach einigen Stunden bewerkstelligt werden. Am nächsten Tage wurde der Erzherzoge nach Budapest gebracht und im Officiersspital untergebracht. Die Eltern und die Geschwister des Schwerverwundeten eilten an das Krankenlager und sprachen den: Erzherzog Muth zu. In der Nacht vom 3. auf den 6. September bekam der Erzherzog Fieber und die Aerzte constatirten Brand. Menschliche Hilfe war vergebens und der junge Erzherzog gab in den Armen seiner Mutter den Geist auf. Einen weiteren Verlust erlitt unser Kaiserhaus durch den Tod des Erzherzogs Albrecht Salvator, der einem tückischen Leiden im Jünglingsalter erlegen ist. Der verstorbene Erzherzog war der Sohn weiland des Erzherzogs Karl Salvator und der Erzherzogin Marie Immaculata Clemeutine; er war ein Bruder des Schwiegersohnes unseres Kaisers, des Erzherzogs Franz Salvator. Ein Brust- und Lungenleiden zwang den Erzherzog, sich den größten Theil des Jahres in milderem Klima zu bewegen. Diesmal besuchte der kranke Erzherzog den Curort Gries uub fühlte sich ziemlich wohl. Bald aber wurde der Blutauswurf heftiger und die Nervosität des Kranken, dessen Liebenswürdigkeit und reiche Begabung Jedermann rühmte, nahn: täglich zu, bis der Tod den Kranken von seinen Leiden erlöste. Erzherzog Albrecht Salvator, der erst im 25. Lebensjahre stand, war für den militärischen Beruf erzogen und Hrzherzog ^wrccht Satvalor. fand seine Ausbildung in der Kriegsschule zu Wien. Der: fllrchtbarsten Schlag erlitt aber unser Kaiser durch den Tod seines dem-Throne zunächst stehenden Bruders, des Erzherzogs Karl Ludwig. Dienstag den 21. Mai 1896 ist der älteste Bruder des Kaisers, Erzherzog Karl Ludwig, nach kurzer Krankheitsdauer gestorben. In voller Gesundheit weilte Erzherzog Karl Ludwig einige Monate vor seinem Tode im Orient, um in der Nähe seines kranken Sohnes, des Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich-Este, zu sein und holte sich auf dieser Reise ben Todeskeim. Es schien nur eine leichte, bald zu heilende Krankheit zu sein, die den Erzherzog befiel, und Niemand konnte den furchtbaren Ausgang ahnen. Erzherzog Karl Ludwig wurde durch ein Darmleiden hinweg gerafft, das im Verlaufe der Krankheit so große Dimensionen annahm, daß die Aerzte alle Hoffnung aufgeben mußten, das Leben des Kranken zu erhalten. Erzherzog Karl Ludwig wurde zu Schönbrunn am 30. Juli 1833 als Zweitältester Bruder des Kaisers geboren. Die sorgfältige Erziehung, welche die kaiserliche Mutter, Erzherzogin Sofie, allen ihren Söhnen angedeihen ließ, machte den verstorbenen Prinzen den großen Anforderungen, welche an das Verständniß und -die Thätigkeit eines österreichischen Erzherzogs gestellt werden, gewachsen. Die Neigungen des Erzherzogs Kar! Ludwig wandten sich schon in der Jugend nicht ausschließlich dem militärischen Dienste zu. Die Aufgaben des Verwaltungsdienstes zogen ihn besonders an und er verfügte sich 1863 nach Galizien, um die Verwaltungsgeschäfte dortselbst gründlich §n studiren. Nachdem sich der Erzherzog zwei Jahre in Lemberg aufgehalten hatte, erfolgte seine Ernennung zum Statthalter von Tirol, in welcher Eigenschaft er am 19. Juli 1855 feierlichen Einzug in Innsbruck hielt. Bei der Bevölkerung erwarb sich der erz- ! herzogliche Statthalter die größten Sympathien 5*

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