Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

56 57 selber durch den Reißjäger den armen Taglöhnersleuten ein paar Gulden, als von einem unbekannten Wohlthäter stammend, einhändigen ließ, das verschwieg der Vater seinen Leuten. Draußen im Revier im Lattengebirg aber wartete der Förster auf den Reißjäger, der ihm dann auch Rapport erstattet, daß der ob solcher Hilfe überglückliche Taglöhner hoch und heilig geschworen habe, von dieser Stunde an nicht mehr zu wildern, aus Dankbarkeit, weil die Förstersfrauen sich seiner und seiner Familie erbarmt hätten. Der Förster brummte etwa- dergleichen in seinen Bart, daß solches Wohlthun die besten Zinsen trüge, wenn — der Kerl seinen Schwur halten wird. Wochen sind. vergangen, der Taglöhner Naz ist yom Bezirksarzt noth- dnrftig wieder zusammengeflickt worden, aber in Reconvalescenz ist an eine Wiederaufnahme der harten Steinbruch - arbeit nicht zu denken. Wohl rackert sich sein Weib ab, um einige Groschen zu verdienen, aber es sind der hungerigen Mägen zN viele, und Mehl und Schmalz ist längst nicht mehr in der Hütte Das weiß der Förster ganz genau durch den Reißjäger. Da muß mau eingreifen, wenn die Leute nicht verhungern sollen. Weil der Naz aber jetzt wieder auf den Beinen ist und, aus völlige Genesung harrend, herumlungert, darf man ihn: kein Baargeld schicken, denn die Verleitung, die harten Thaler in Schnaps umzusetzen, ist zu groß und die Kinder müßten dabei trotzdem hungern. Also sagt der Förster zu seiner Frau, sie solle Schmalz und Mehl und wohl auch etwas Wjldpret zusammenpacken und den Taglöhnerischen zuschicken, aber bei Leibe nicht etwa sagen, daß er, der Förster, davon etwas wisse. Große Tropfen perlen der Frau von den Augen und der bärbeißige Mann mußte sich abküssen lassen, weil er halt doch so viel ein guter, wenn auch brummiger Mann wär'! Beim Naz aber steigerte sich das Dankbarkeitsgefühl ob der neuerlichen Unterstützung so weit, daß er schwor, Jeden zu erschlagen, der den Försterslcutcn auch nur ein Haar krümme. * Wie ein Träumer ist der Forstgehilfe Allmeyer die Zeit über iu deu Bergen herumgewandert, er kann Engerl's Bild nicht vergessen, das er im Herzen trägt, das ihn begleitet auf jeglichem Gange. Mochte er schlagbare Bäume auplätzeu oder Wildwechsel bestätigen, in der Kanzlei Akten abschreiben oder Holztabellen colla- tioniren, immer mischt sich der Engelskopf dazwischen und der Forstgehilfe starrt wie geistesabwesend in die Luft. Das merkte der Amtschef gar bald und weil ihm eine Erklärung für das sonderbare Verhalten fehlt, so glaubte der Forstmeister anfänglich, der 'Gehilfe leide an Heimweh .nach seiner fränkischen „Wurstgegend". Aber das war es nicht, denn der Gehilfe versicherte hoch und theuer, für sein Leben gern iu der schönen Rainsau zu sein und von den Bergen nicht mehr weg zuwollen. Dann müßte die Luft dem Hansdampf von einem Forstgehilfen zil resch sein, meinte der Forstmeister zu seiner Gattin, die aber überlegen lächelte und den Gemahl mit der Anfrage überraschte, ob denn der Allmeyer nicht einmal in Tanbensee zu thun hatte? „Das schon! —" „Na, da haben wir ja die Beschee- rung!" sagte die Forstmeisterin. „Wieso?" „'s ist doch gar kein Zweifel, daß der Gehilfe 's Eagerl gesehen hat!" „Ja, Alte, da kannst wahrhaftig Recht haben!" stimmte der Forstmeister zu, )em es wie Schuppen von den Augen iel und der jetzt die Seufzer seines Ge- jilfen zu deuten vermag. Dem muß aber ein baldiges Ende bereitet werden. Das ehlte gerade noch, daß ein königlich myerisches Forstamt zu. einem Seufzerinstitut verliebter Forstgehilfen würde. „Die verdammte Gefühlsduselei und Liebeseselei übereinander!" donnerte der alte Amtschef. Seine Frau aber .meinte boshaft: „Ich bitte Dich, Ulter, Du warst vor gehilfen begreiflich zu machen, daß das königliche Leibgehege Ramsau. durchaus kein „Saupark" sei. Hei, wie der Gehilfe roth und blaß zu gleicher Zeit wird! Am liebsten hätte er den Klecks milder Zunge aufgeleckt nach guter alter Schulbubensitte, aber das ist doch nicht zu riskiren in Gegenwart Sr. Gestrengen, des Herrn Ämtschefs. Und der Forstmeister spöttelte weiter, daß das Seufzen nicht im Forstdienstreglement stehe und wenn der Herr Forstgehilfe dichten wolle, möge er sich beim Cultusministerinm zu in Dienst melden oder in ein Kloster gehen. Auch sei es durchaus nicht angängig, wenn sich ein königlich bayerischer Forst- gehilfe einbildet, ein Goethe zu sein, der trotz seiner betagten Jahre nichts weiter fertig brächte, als seine sämmtlichen Werke. „Entweder halten Sie um's Engerl an und werden ein Engerlmann oder Sie scheeren sich zum Teufel in eine Seufzeralle!" polterte der Chef und unterdrückte dabei mühsam das Lachen. Der Forstgehilfe fährt zusammen, wie ein Sonntagsjäger, dem der Fuchs durch die Beine springt und das Gewehr losgcht. Die Verblüffung über das nun sogar amtlich entdeckte Liebesgeheimniß ist so groß, daß Allmeyer bloß stammeln kann: „Zu Befehl, Herr Forstmeister!" Der Chef aber drückte sich sofort, er fürchtete ein Zerplatzen seines Zwerchfelles. Am späten Abend fiel in das Briefkästchen der königlich bayerischen Poststation Ramsau ein dicker Brief des Forstgehilfen, an seine Eltern adressirt, worin er seinem gepreßten Herzen Luft machte und um die Erlaubniß bat, schon als Forstgehilfe um das himmlische Wesen, die Försterstochter in Taubensee, freien zu dürfen. Und mit ärarischem Blaustift war an den Rand des auf Aktenpapier geschriebenen Briefes eingekritzelt: „Erbitte Drahtantwort!" Drei Tage wird es wohl dauern, bis die erbetene telegraphische Antwort ein- laufen kann und während dieser Zeit zeigte sich der Forstgehilfe noch mehr bald einem Vierteljahrhundert um kein Haar besser!" „Was, ich?" „Ja, Du, Du hast mich genau so angeseufzt, wie dies jetzt der verliebte Allmeyer thut, ja Du warst sogar noch viel gefährlicher, denn Du hast auch noch Gedichte „an Sie" verbrochen, die ich hochbeglückt gelesen und 25 Jahre lang aufgehoben habe!" „Wär' nicht übel! Die müssen sofort in's Feuer, die Beweise solcher Jugendthorheiten darf ein königliches Forstamt nicht beherbergen." „Deine Liebesbriefe und Schmacht- gedichte kümmern das Forstamt nicht das Geringste und wenn Du noch einen Muckser machst in dieser Sache, dann hast Dn für das laufende Jahr gestern das letzte Surfleisch mit Kraut gegessen!" „Um Dianens Willen, nur das nicht, Alte!" „Na, dann hübsch ruhig gehalten und nicht gemuckst! Im Gegentheil wirst Du den Gehilfen, der ja aus vermög- licher Familie stammt, vorfangen und ihm begreiflich machen, duß er entweder um den Gegenstand seiner seufzenden Sehnsucht anhält, oder die Seufzerei aufsteckt!" „Na, ich kann mich doch als Amtschef nicht in die Liebesangelegenheiten meiner Untergebenen mischen!" „Denk an's Surfleisch!" Dieser Wink wirkte und gehorsam unterwarf sich der Forstmeister dem Willen seiner besseren und vorzüglich kochenden Hälfte. Des Krautes willen würde er nicht nachgeben, aber das Pöckelsteisch, mild und pikant, für solchen Leckerbissen kann man schon einen Forst- gehilfen in's Ehejoch jagen. Warum soll dieser es auch besser haben als die bereits Verheirateten?! Richtig fängt sich der Forstmeister den Gehilfen noch am gleichen Tage vor, es gab ein eclatanter Tintenklecks mitten in einer ministeriellen Verfügung den schönsten Anlaß, dem Herrn Forst­

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