Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

54 Aufregung so urplötzlich dem holden Mädchen gegenüber zu sein, von dessen Existenz er keine Ahnung gehabt, versagt ihm die Sprache. Der Eindruck der reizenden Erscheinung wirkt zu mächtig auf den Waldmenschen, der nichts von Verstellung und sich nicht mit der Ge wandtheit des Städters zu fassen weiß. Ein leises Lächeln spielt der Försterin um die Lippen und sie wirft dem Gatten einen bedeutsamen Blick zu, den der Vater nickend erwidert, als wollte er sagen, daß auch er bemerkte, wie der Gast Feuer fing. Engerl selbst ist völlig unbefangen und wird erst etwas verwirrt, als 'sie die unverholen höchste Bewunderunc verrathenden Blicke des Gastes wahrnimmt. Der drohenden Verlegenheit macht der Förster ein Ende mit der trockenen Bemerkung, daß Engerl kein Geist, sondern seine brave Tochter sei, weßwegen der Herr Forstgehilfe sich - nicht zu entsetzen brauche. Auch wisse man ja noch gar nicht den Namen des Gastes und kenne bloß seine dienstliche Stellung. Das wirkte und rief den Forstgehilfen aus seiner Verzückung in die Wirklichkeit zurück. Er stellt sich vor als Hubert Allmeyer aus dem Fränkischen und seit wenigen Tagen nach Ramsau versetzt. Dann thut er Bescheid durch einen herzhaften Schluck, dankt für freundlichen Empfang und Gastfreundschaft und rüstet zum Aufbruch, da ja die Zeit schon weit vorgeschritten sei und er wieder heim müsse. Zwar will die Försterin noch ein Gläschen anbieten, aber der Forstgehilfe hat sein Gewehr bereits umgehängt, nochmals dankt er und seine Glutaugen umfassen des Mädchens Bild, als wollt' er sich dasselbe einprägen für ewige Zeiten. Nach einem Händedruck der Männer tritt der Gehilfe wieder hinaus in die dunkle Nacht. Hat er nun geträumt, ist's ein Phantom, ein Märchenbild, was ihm vor deni entzückten Auge schwebte in der Forstwartei? Ein Wunderkind voll höchster Schönheit und Anmuth, eiu Lichtbilds des Fimmels, eine Fee, die aus Versehen auf die irdische Erde ge- rieth? Aber nein, der alte Förster sagte ja selber, es sei sein eigen Kind und Engerl heiße die holde Mädchenblume. Ein Engel ist's, jubelt es in des jungen Mannes Brust, sein Blick ist nach innen gerichtet, ihm ergeht es wie dem Auerhahn zur Balzzeit, der in heißer Minne entbrannt, nichts mehr sieht und hört, wiewohl er zwei Augen auf jeder Feder hat. Der Weidmann stolpert, bald stößt er mit dem Büchsenschaft an einen Baumstamm, deu Weg hat er völlig verloren und weiß richtig nimmer, wo er sich befindet. Er wird wohl im Walde bleiben müssen die Nacht über, doch was macht, das dem Waldmenschen, der ein Wunder geschaut und der sein Herz an Försters Töchterlein verloren in einer einzigen Stunde! Ein Engel dieses Engerl! flüstern seine Lippen und eine ungekannte Seligkeit durchzieht die junge Brust, es keimt die erste reine beglückende Liebe. Unter einer Schirmfichte sitzend, die Büchsflinte über die Knie gelegt, träumt der Forstgehilse sich hinein in sein junges Glück. Zizipsch, Zizipsch! rnfen die Meisen und suchen geschäftig ihr Frühstück, ein Häher schlägt Allarm im Walde, sein Ruf weckt den Schläfer aus den süßesten Träumen, der sich erstaunt den letzten Schlaf aus den Augen reibt und verwundert um sich blickt. Sonderbar, daß er im Walde übernachtete! Und so gut hat er seit Langem nicht geschlafen! Und da sind auch seine Gedanken schon beim Engerl! Aber jetzt am frühen Morgen gibt es kein Weiterschwärmen, 'andern heimzukehren und sich zum Dienst zu melden. Dort drüben blinkt der Spiegel des Hinterstes und das Blaueis euchtet herüber iu wunderbarer Pracht. Der Forstgehilfe hat sich also bös vergangen und wäre wohl nach Oesterreich gekommen statt in die Ramsau in finsterer Nacht. Eine der vielen Tugenden und schönen Eigenschaften der Försterin ist das Wohl- thnn, die gern gegebene Hilfe, wo solche noththut, ohne darüber ein Aufhebens zu machen. Die Armuth klopft nie vergebens an die Pforte der Forstwartei und wenn die Spenden auch nach dem Verhältniß der eigenen Mittel bemessen sind, die keineswegs große genannt werden können, so ist das Gebotene immer gern gegeben. Da half die Försterin durch Handarbeit aus, dort durch abgelegte Kleider, immer gefällig und auf das „Vergelt' es Gott!" das christliche „G'segens Gott!" setzend. Wo die Mutter solche Nächstenliebe zeigt, wird auch die Tochter mildthätig und da s' Engerl ein engelgutes Herz hat, so mußte die Tochter gar bald die Mutter im Wohlthun übertrefien. Die Spargroschen waren auch bald aus der Büchse und als die Casse Ebbe zeigte und vom Vater, der als Förster natürlich keine Reichthümer ansammeln kann, keine Erneuerung der Nadelgelder verlangt werden kann, da verfiel 's Engerl auf den Gedanken, durch die Kunstfertigkeit im Sticken und sonstigen weiblichen Handarbeiten, die in Berchtesgaden von den Fremden gerne gekauft werden, die Spargroschen für die Armen wieder in's Haus zu locken. Einige Gulden süddeutscher Währung hat Engerl auf diese Weise wieder zusammengebracht und freudestrahlend dem Mütterchen davon Mittheilung gemacht, als eines Tages ein Taglöhnerweib aus der Ramsau der Försterin vorjammerte, ww groß die Noth sei in der Hütte, seit der Mann bei der Steinbrucharbeit durch einen vorzeitig losgegangenen Minen- < verunglückte und nun die große Kinderschaar den brotlosen Vater, der krank auf dem Stroh liegt, um Brot bestürme. Voin Landbauamt ist nichts zn hoffen, der Mann hätte eben nicht gegen die Vorschrift nochmal nachsehen sollen, warum die Schnur nicht zündete, und wenn er dabei verunglückte, so sei es seine eigene Schuld. Nun liege der Mann arg verletzt daheim und das Weib 55 soll zusehen, wie es die darbende Familie ernähren kann. In Taglohn gehen ist leicht gesagt, aber schwer gethan, sie kann auch nicht lang vom Hause wegbleiben, denn die Kinder sind zn klein und in der höchsten Noth bleibt nichts anderes übrig, als die allzeit mildthätige Försterin um Rath und Hilse zn bitten. Mit nassen Augen hat die Förstersfrau der Klage zugehört und eilig wird aus der Vorrathskammer au Lebensmitteln zusammengepackt, was entbehrlich scheint. Engerl aber ist stink wie das Schmalreh im Walde hinaus iu das Kämmerlein, rasch sind die Silber- gulden mit dem Bildniß des guten Vaters Max in Papier gewickelt und der Taglöhnerin in die Hand gedrückt mit der Bemerkung, das Papierl erst zn Hause aufzumachen. Für die erste, schlechteste Zeit werde das schon hinüberhelfen und später wird sich wohl noch Rath schaffen lassen. Damit wurde das Dank stammelnde Weib wieder heimgeschickt und Mutter wie Tochter freuen sich, so weit als möglich geholfen zu haben. Geben ist ja viel schöner als nehmen! Dem Vater muß aber, weil es im Hause kein Geheimniß geben darf, Mittheilung gemacht werden und Vaters Gebrumm dämpfte die Hilfsfreudigkeit. Nicht, daß der alte Förster gegen den Wohlthätigkeitssinn seiner Frau und Tochter etwas einwenden will, o nein, auch er freut sich über deren Gutherzigkeit, aber es sei doch nicht angängig, daß ein königlicher Förster, der noch dazu zum Jagdschutzdienst im Leibgehege Sr. Majestät verpflichtet ist, einen Menschen unterstütze, der im gegründeten Verdacht der Wilderei stehe. Zwar sucht die gute Försterin sich darauf hinaus- zureden, daß ja der Vater selber nichts gegeben habe, es wäre die Hilfe in höchster Noth, ja ohne sein Vorwissen erfolgt, aber Vater erklärt solche Ausflucht als Sophisterei und will nichts mehr davon wissen. Damit ist die Sache abgethan. Daß aber der Förster

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