Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

43 Ich hatt" einen Kameraden. Eine wahre Begebenheit aus dem 1870/71er Krieg von M. tzscherichNachdruck verboten. eben Sie wohl!" Eine junge Dame von schlanker, vornehmer Erscheinung hatte es mit vibrirenderStimme gesagt, und als sie darauf keine Antwort erhielt, noch einmal: „Leben Sie wohl! Herr von Wellheim!" wiederholt. Der Augeredete, ein schöner, junger Mann, in der kleidsamen Uniform eines bayerischen Artillerieosfiziers, verharrte noch immer im Schweigen. Sein Auge heftete sich schier unbeweglich auf das Muster des persischen Teppichs zu seinen Füßen, als könne er hier Antwort auf eine unausgesprochene Frage ablesen; endlich erwiderte er unsicher: „Und haben Sie kein anderes Abschiedswort für mich? Sie wissen ja, ich habe keinen Freund, keine Mutter mehr; die Erinnerung an die glücklichen Stunden, die ich in diesem Hause verlebt habe, wird mich begleiten. Beim Schein des Bivouakfeuers wird sie vor meine Seele treten und beim Donner der Kanonen. Sie werde ich vor Augen haben, wo immer ich auch sei, Sie, wie Sie jetzt vor mir stehen, so schön, so stolz, so kalt. Ach und diese Kälte wird mich zur Verzweiflung bringen, ich hatte gehofft anders von hier zu gehen; offen gesagt, ich kam mit kühnen Erwartungen hierher und nun vor diesen Blicken, dieser Unnahbarkeit, weiß ich nicht, wieviel ich wagen darf. Sie nehmen mir allen Muth.» Diesmal war es an ihr zu schweigen, nur die kleine, weiße Hand, die sich unruhig spielend in die Falten einer Portiere vergrub und die höher gefärbten Wangen verriethen ihre innere Bewegung „Emma, Sie schicken mich fort, und wir sehen uns vielleicht nie wieder! Aber Ihnen ist es ja gleichgiltig, ob ich je zurückkehre, oder draußen im Feld mit zerrissener Brust verblute, ich und alle Anderen! Ich glaube, Sie haben überhaupt kein Herz, oder sollte es für einen Anderen schlagen?» Emma Heineck lächelte. „Es scheint, Sie wähnen sich schon in Frankreich, Sie gehen wenigstens schon mit scharfer Attaque vor." „Ja, ich will diese Festung erstürmen, um jeden Preis!» „Und was haben Sie in's Treffen zu führen?" „Nichts, als mich selbst, und meine Liebe und meine Verehrung für Sie!» „Das ist zu viel! Eines davon würde genügen. Nun wohl, ich kapitulire." „Emma!» in den Augen des jungen Mannes blitzte es freudig auf. „Also wirklich, Sie lieben mich?" Sie sah ihn schier muthwillig an. „Ich könnte Ja sagen, aber ich will nicht! Sie sollen mich verdienen. Gehen Sie nach Frankreich, kämpfen Sie für Ihre Heimat, kämpfen Sie für mich. Ich denke, mein Vater wird Ihnen den Siegespreis nicht vorenthalten.» Leo von Wellheim zog das schöne Mädchen feurig an sich. „Also mein, mein auf ewig! o, nun ziehe ich freudig fort. Mein deutsches Lieb soll sich seines Soldaten nicht schämen." Seine Lippen näherten sich den ihren. Sie aber wich zurück. „Nein! nein! noch strecke ich die Waffen nicht. Bringen Sie erst unserer Muttererde den Frieden zurück!» „Das walte Gott!" Er sprach es mit feierlichem Ernst. „Und werden Sie meiner auch treu gedenken?" „Ich will für Sie beten und hier —" ie zog aus dem Ausschnitt ihres Kleides ein silbernes Kettchen hervor und nestelte einen dranhängenden Marienthaler davon os. „Nehmen Sie diese Münze und icwahren Sie sie wohl. Meine Mutter hat sie mir auf ihrem Todtenbett um- gehäugt. Sie soll den, der sie trägt, schützen im Kugelregen.» Er nahm die . „—- • _ . ,_ - -ä-k^.m Münze ehrfurchtsvoll entgegen: „Jchwerde sentimental! Das zremt keinem Soldaten. sie auf dem Herzen tragen!" . rief sie ihm noch nach, als er ichon der „Also, leben Sie wohl, Herr Lieutenant! und treiben Sie mir die dummen Franzosen tapfer zu Paaren!» der alte Schelm lachte schon wieder aus ihren Augen. Sie konnte nun einmal nicht's tragisch nehmen. Wenigstens Leo dü> He es so. Er drückte halb abgewandt ihre Hand und seufzte leise: „Leben Sie wohl, Emma!" lk Und nur immer muthig^und nicht Thüre entschritten war. Ich hatt' einen Kameraden!» hörte er sie mit ihrer Hellen Stimme trällern, während das Stubenmädchen ihm in den Mantel half. Drinnen im Boudoir stand Emma am Fenster und sah Leo über die Straße nach. „Ich hatt' einen Kameraden, einen bessern find'st du nit!" da brach das Lied plötzlich ab. Emma trat vom Fenster zurück und warf sich aufschluchzend in die Ecke des kleinen Sopha's. Nun war er fort, er, der ihr lieber gewesen, als all' die Andern, der schöne, schöne Offizier. Bis in wenigen Tagen lag er vielleicht schon still und bleich auf dem Schlachtfeld in dem fernen, schrecklichen Frankreich. O, sie hätte ihn !- nicht so gehen lassen sollen, M> sie hätte ihn überhaupt nicht G fort lassen, hätte ihn ganz '^ zurückhalten, hätte zum § König gehen und ihn bitten sollen, daß er ihr ihren Leo freigebe. Die tollsten Möglichkeiten gingen ihr in einem Augenblick durch den Kopf. Jetzt, wo er fort, wußte sie mit einemmal, daß sie ihn liebe, immer schon geliebt bis zum Wahnsinn, aber es war ja alles zu spät. Sie schluchzte, schluchzte herzbrechend, daß ihre ganze, kleine Gestalt darunter erzitterte: Wenn er nicht wieder kommt, nicht wieder, mein guter, guter Kamerad?--------------------- Monate sind vergangen. Vor Orleans tobt die Schlacht. Weißer Pulverdampf zieht iu schweren Wolken über die Gegend.

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