Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

dem trüben Schein der kleinen Lampe und ein¬ wartet, bis die Hausbewohner völlig ver¬ geschlafen sind. Dann erhebt er sich sichert sich, daß die rothen Vorhänge an und den Fenstern völlig zugezogen sind, der entnimmt dem alten Schrank in Stubenecke ein Stutzerl, das sorgfältig auf Dann die Schußfähigkeit untersucht wird. wird der Lauf geladen, die gepflasterte Kugel sorgsam eingestoßen und der Stutzen, in Rupfen eingewickelt, in den bereit ge¬ haltenen Schnerfer gethan. Bald darauf verlischt das Licht, und Seppele schleicht zur Stallthüre hinaus an die brausende Trisanna in die dunkle Nacht. * * * In der kleinen Kaserne der Finanz¬ wache des Dorfes läßt sich der aus dem Wirthshause geholte Respicient Bericht er¬ statten über die weiteren Erlebnisse des Wachmannes Fuchs. Militärisch knapp be¬ richtet dieser, daß er sehr gut gepflegt worden sei, viel besser, als man es er¬ warten konnte bei der allgemeinen Haltung der Leute der Finanzwache gegenüber. „Da muß aber die Sennin doch merk¬ würdig viel freie Zeit gehabt haben?“ meint der Vorgesetzte. „Die ist abgelöst worden am ersten Abend vom Zischkerl des Seppele. Ein pfeifender Laut der Ueberraschung entfährt den Lippen des Beamten. „So, die Zischkerl ist nochmal auf die Alp 'kommen. Ei, ei! Wie und warum kam denn diese?“ „Sall weiß ich nicht!“ „Das sollten Sie aber wissen, Fuchs, Sie qualificiren sich immer weniger für Ihren Dienst!“ „Aber, Herr Respicient, ich war doch so fürchterlich von den Wepsenzugerichtet und herzlich froh darüber, daß sich über¬ haupt Jemand meiner angenommen hat. Gefühlsduseler taugen nicht zu Ihrem Dienst. Und da herinnen bei unsern bösen Verhältnissen schon gar nicht. Werde wohl Ihre Versetzung beantragen müssen. „Ich bitt', nur das nicht!“ „So, so, warum denn nicht? 23 „Ich . .. ich will nicht fort von Galtür und möchte bitten, daß ich über Winter in Ischgl bleiben kann.“ „Ei, ei, woher denn auf einmal diese Anhänglichkeit an die Paznauner Wildniß? Früher, noch vor wenigen Wochen, wollten Sie doch selber versetzt werden aus der trapaziösen Hungergegend! Hat der junge Herr vielleicht gar Feuer gefangen? Ist's die Pflegerin, der zu Lieb' Sie nun da¬ bleiben wollen?“ Unwillkürlich haben sich Fuchsens Wan¬ geröthet, was dem forschenden Blick gen Beamten nicht entging. des „Ich will Ihnen etwas sagen, Fuchs. Sie können bleiben in Galtür und über Winter in Ischgl, auch will ich Sie zu einer Remuneration vorschlagen, aber ... Sie müßten die zarte Neigung zu Zischkerl ienstlich ausnützen.“ „Wieso, Herr Respicient?“ „Oh, wie begriffsstützig! Alles für den Dienst, das ist unser oberstes Gesetz. Zischkerl's Vater ist Führer der Galtürer Schmuggler, und wenn Sie mit seiner Tochter in Beziehungen treten, können Sie durch Ihr Verhältniß zur Tochter sehr eicht schätzenswerthe, ja sogar sehr wichtige Anhaltspunkte herausbringen, wann und wo wieder ein Zug über die Grenze geht, den wir dann rechtzeitig auffangen können.“ „Herr Respicient, Sie muthen mir eine Gemeinheit, einen Verrath an einem ehr¬ lichen Mädchen zu, eine ehrlose Ausnutzung heiliger Gefühle ... Sie hätten Klosterbruder werden sollen, Fuchs, aber nicht Finanzwachmann, der einem Dienst Alles, auch seine Privat¬ gefühle zu opfern hat. Für uns haben die Leute kein Gefühl und wir dürfen auch keines für sie haben. Wir kennen nur den Dienst und die Abfangung der Schmuggler, gleichviel durch welche Mittel!“ „Das können Sie halten, wie Sie wollen. Zu Gemeinheiten gebe ich mich nicht her. Ein Mensch bleibt schließlich auch der Schwärzer. „So, so, mit dieser schmugglerfreund¬ lichen Ansicht werden Sie es noch weit bringen, Fuchs; ich begreife jetzt auch,

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2