Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

Hohn bleich gewordenen Finanzer durch können. So muß einem Feldherrn zu Muthe sein, der eine große Schlacht verloren hat. Aber dieser weiß doch, wie er sie verlor, der Respicient aber steht vor einem Räthsel, das er bei allem Grübeln nicht zu lösen vermag. Wie war es möglich, die großen Säcke mit Kaffee und Tabak aus dem Hause zu schaffen? Haben viel¬ leicht die vielen Besucher am Abend die Schmuggelwaare aus dem Hause ge¬ tragen? Sie hatten doch keinerlei Körbe oder Säcke! Sie kamen und gingen mit leeren Händen, sie können nicht mitgeholfen haben; man hätte etwas doch sehen müssen! * * * Wie der neue Schmuggel vor sich die ging, weiß jedes Galtürer Kind, nur Finanzwache nicht. Hätte sich auch nur ein Mann der Wache an der Rückseite des Hauses gegen die Trisanna zu postirt, so hätte er bei einiger Aufmerksamkeit wahr¬ nehmen müssen, wie vom Dachfenster aus kleine, fest zugebundene Säckchen im kräf¬ tigen Bogen hinaus auf die Wiese ge¬ chleudert wurden, emsig, unermüdlich die ganze Nacht hindurch. Die leeren Säckchen aber waren von den vielen Besuchern zu diesem Behuf ins Haus getragen worden. Und was in Hosen= und Kleidertaschen an Kaffeebohnen untergebracht werden konnte, wurde noch am Abend vor den Augen der Finanzer fortgetragen und bei einem der Schwärzer wieder redlich abgeliefert. Die hinausgeworfenen gefüllten Säckchen wurder von Kindern und sonstigen hilfsbereiten Leuten sofort aufgehoben und schleunigst weitergeschafft. Das stetige Tosen und Rauschen der Trisanna verschlang jedes Geräusch beim Auffallen der Säckchen, so daß es das schärfste Ohr der Finanzer nicht hätte hören können. Und so fleißig wurde an der Bergung der schwer be¬ drohten Schmuggelwaare gearbeitet, daß schon vor Tagesanbruch das letzte Säck¬ chen Kaffee und Tabak aus dem Hause war. Mit völliger Gemüthsruhe konnte daher Seppele die Finanzer zur Durchsuchung seines Hauses einlassen. 17 Dem Fiscus ist wieder einmal ein gehöriges Schnippchen geschlagen worden, vorüber Seppele wie ein Schneekönig sich reut. Der geprellte Respicient aber möchte ich vor Aerger und Wuth seine Haare einzeln ausrupfen. * * * Im Eifer, die richtig im Hause des Seppele liegende Schmuggelwaare zu be¬ wachen und zu ergattern, hatte wohl der Respicient den von Wespen schrecklich zu¬ gerichteten Finanzwachmann Fuchs ver¬ gessen, nicht aber Zischkerl, die zunächst Vaters Auftrag, den Wirth ins Haus zu chicken, ausführte, dann aber trotz der einbrechenden Nacht den mehrstündigen Marsch zur Schnapfentheja antrat, um die Sennerin in der Pflege des armen Menschen zu unterstützen. Gern überließ die Sennerin der Zischkerl die Nachtwache am Bett des vor Schmerz wimmernden Finanzers, der ruhiger wurde, wenn Zisch¬ kerl ihre Hand dem Kranken auf die heiße Stirne legte, bis er endlich einschlief. Das Mädchen holte noch einen Kübel frisch aus dem Rasen gegrabener Erde wickelte sie in dünnes Linnen und legte das Kühlungs¬ mittel dem armen Burschen auf die ent¬ setzlich geschwollenen Backen und den Hals. Der Kienspan ist zu Ende gebrannt; nun der Kranke schläft, kann auch Zischkerl sich etwas Ruhe gönnen. Ein seltsames Gefühl schleicht dem tapferen Mädchen ins Herz Was hat sie heraufgetrieben auf die einsame Alm in Nacht und Wind: Die Sorge um den hilflos liegenden Kranken und Mitleid war's! Der arme von Allen verlassene Bursch dauert sie, und was in ihren Kräften liegt, will sie aufbieten, dem jungen Menschen das Leiden abzukürzen. Mein Gott, was hat so ein Grenzer für ein Leben! Karg besoldet, tets in Gefahr, das Leben zu verlieren, einen anstrengenden Dienst, der vorzeitig die Lebenskräfte aufreibt, und keine Stunde sicher, eine Schwärzerkugel in den Leib zu kriegen. Ja die Schmuggler! Aber, denkt Zischkerl, die sich auf der Bank im Stübchen der Alpe niedergelegt hat, ist denn nicht auch 's Vaterl ein 2

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2