Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

6 Wunder, sunst wissen Finanzer alli was zu sagen über andere Leut' und zu suchen wo nuit ischt.“ Fuchs fühlt den Stich, aber er kann dem schmücken Ding nicht gram sein. Er beeilte sich, zu versichern, daß er gewiß nicht zu denen gehört, die bei den Leuter stets Schlechtigkeiten wittern und eine Freud daran haben, Anzeigen zu machen. Er bringt das zwar stotternd, aber treuherzigen Tones heraus, und unwillkürlich bleibt Zischker neben ihrem Begleiter stehen, blickt ihm voll in die Augen und reicht ihm die Hand „I will's glauben!“ sagt sie einfach „Vergelt's Gott für die gute Meinung ich bin freilich nur ein armer Finanzer, aber ein Herz hab' ich auch, das warm und ehrlich fühlt, Zischkerl, sell darfst mir globa „I glaub's, und nun b’hüet Gott alli! „Wohin denn auf einmal so eilig 01 Zischkerl „J muß af d' Alp, in d' Schnapfen¬ theja=Alp, Botschaft bringen. Fuchs horcht hoch auf: „A Botschaft jetzt schon ins Jamthal? „Hahaha, der Herr Finanzer witter wohl schon wieder etwas Verdächtig's Ischt aber nuit weiter, als daß Vaterle zum Alpmeister g’wählet worden ischt, und fall soll ich auf Schnapfentheja den Senn¬ leuten vermelden. Also b’hüet Gott allwei und nicht so mißtrauisch sein, Herr Fi¬ nanzer!“ Zischkerl knixte etwas spöttisch, reichte aber dennoch dem Fuchs die Hand, der beschämt und gleichwohl mißtrauisch zurück¬ blieb. Lange schaut er dem in das einsam düstere Jamthal einbiegenden, anmuthig dahinschreitenden Mädchen nach. „Glücklick der, dem sie zu eigen wird! Ich werd's wohl nicht sein, kann es auch nicht sein, ich ein Finanzer mit den schweren Grenzer¬ pflichten und Zischkerl, die Tochter eines Hauptschmugglers! Das ist ganz unmög¬ lich! Aber wenn der grüne Dienstrock aus¬ gezogen würde? Ja, was bin ich dann Ein brodloser Habenichts, der selber schwärzen gehen müßte, um sich vor dem Verhungern zu retten. Und als Schwärzer wär's vielleicht möglich, die Zischkerl vom Vater zu bekommen. Nicht übel, die Idee Aber Fuchs, sei gescheidt, das sind Fallen das Dirndl ist nicht für Dich gewachsen und Sonderbar ist der Dienst ist heilig .... die Botschaft auf Schnapfentheja aber doch. Der Seppele soll zum Alpmeister gewählt worden sein, so urplötzlich, ohne vorherige Versammlung der berechtigten Bauern? Das ist ja gegen allen Brauch im Paz¬ naun, also höchst verdächtig, das muß sofort dem Respicienten gemeldet werden. Damit schloß Fuchs seinen Gedankengang und stapfte der Station zu, die stets den Sommer über in Galtür offen gehalten wird, um dem Schmuggel einigermaßen zu steuern. Der Respicient reißt Augen und Mund zugleich auf vor Staunen ob dieser Neuig¬ keit. Der Höfler soll plötzlich zum Alp¬ meister gewählt worden sein, jetzt um Ende Juni? Das ist ja ganz aus der Weis' zumal der sogenannte Zontag auf Paznauner Alpen (Sennereien) doch erst am 14. August abgehalten wird! Der Seppele, der gleich andern Galtürern doch nur Almpächter des Engadiner Besitzes im Jamthal ist, der soll Alpmeister geworden sein über Nacht? Das ist ja so unwahrscheinlich, als wenn eine Kuh täglich fünf Schluten (Milchmaß für etwa 2⅛ Liter) gibt! Rein zum Lachen das, der Hauptschmuggler Vertrauensperson zur Prüfung des Milchertrages auf den Almen! Seppele soll als Alpmeister ent¬ scheiden, welche Kühe das beste Erträgniß liefern, als Hauptpreisrichter, ob eine Sen¬ nerin die Schalle (Glocke) für gute Alm¬ wirthschaft oder die an die Hüttenthüre zu malende Geige für minder milchgebende Kühe verdient! Das heißt ja den Bock zum Gärtner machen! Nein, nein, das ist ganz unmöglich, man macht einen der kleinsten Oekonomen nicht zum Alpmeister, da liegt etwas in der Luft, und die Botschaft hat etwas anderes zu bedeuten. Aber was „Was meinen Sie, Fuchs? Welchen Eindruck hat das Mädel auf Sie gemacht? fragte der Vorgesetzte. „Oh, einen ganz ausgezeichneten!“ ant¬ wortet Fuchs wie traumverloren, ihm schwebt das holde Geschöpf vor Augen.

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