Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

4 konnte unbeobachtet zu den Gletschern auf¬ steigen, und bevor ein Paß besetzt wurde, war längst ein Hirt angeblich Schafsuche auf der Jochhöhe, um die Schwärzer recht¬ zeitig zu verständigen. Die treueste Pflicht¬ erfüllung wurde zu Schanden an der strammen Schmugglerorganisation und an der hilfbereiten Antheilnahme der übrigen Bevölkerung. Nutzlos erwies sich die Auf¬ opferung der eifrigen Grenzbeamten, die bei aller sonstigen Vertrautheit mit den gefährlichen Gelände die Eisverhältnisse und Unterschlupfe doch nicht so beherrschten wie die Schwärzer, die von Kindsbeiner auf alle Schliche und Wege kennen. sagte „Das kann so nicht fortgehen,“ eines Tages der Respicient (Vorstand) der in Galtür stehenden Finanzwachabtheilung, wir müssen die Bande abfangen, sei es mit Gewalt oder durch List, und der Sep pele muß noch schärfer überwacht werden. Zu diesem Behufe wurde ein Finanzer Namens Fuchs beauftragt, sein Augen¬ merk ganz besonders auf die Bewohne des Gehöftes an der Trisanna zu richten Alles zu beobachten, was sich in demselber ereignete und insbesondere den Seppele zu überwachen. „Melden Sie jedes Ausgeher des Bauern sofort, suchen Sie eine An¬ knüpfung mit den Hausleuten, sei es einer Dirn oder einem Knecht, horchen Sie auch die Tochter aus; wir müssen Kenntniß erlangen, wie die Kerle die Waaren her¬ überbringen und wo sie verborgen werden, befahl der Respicient. „Zu Befehl,“ antwortete Fuchs und trat sofort seinen Sonderdienst an. Daß das Ausspioniren leichter befohlen als durchgeführt ist, erfuhr Fuchs in kür¬ zester Zeit, denn als er gleich Reinecke am Gartenzaun des Gehöftes herumschlich, traf ihn ein geschickt geworfener Besen ge¬ rade ins Gesicht, und höhnend rief eine Dirn aus dem Stall: „Bei ins werd nix ausspeculirt!“ Der erste Versuch wurde somit abge¬ schlagen, und Fuchs mußte abziehen gleich Reinecke, dem die Trauben zu hoch hingen Diese Niederlage muß wettgemacht werden Fuchs muß etwas Klügeres ersinnen, um ein Ziel zu erreichen. Das einfachste wäre freilich, im Hause selbst einmal das Unterste zu oberst zu kehren, allein die Vorschriften gestatten dies nicht so mir nichts Dir nichts; zu einer Haussuchung gehört viel¬ mehr die besondere Erlaubniß von der Finanzlandesdirection in Innsbruck. Diese hohe Behörde aber in Bewegung zu setzen um chließlich doch nichts zu erwischen, das ist ein gefährliches Unterfangen und trägt statt Fanggeld eine „Nase ein, die womöglich nachtheilig auf die ganze Lauf¬ bahn sein kann. Fuchs weiß recht gut oberstes Gesetz ist das in flagranti Erwi¬ schen und die Waarenabnahme; letztere kann für die Finanzen eines Finanzers durch den Beuteantheil sehr wohlthätig sein, wenn die abgenommene Schmuggel¬ waare werthvoll ist. Wie aber abfangen, wenn man keine Ahnung hat, über welchen Paß die Schwärzer kommen und wann sie schwarzgehen! Fuchs zermartert sein Gehirn, indeß er auf der Anhöhe oberhalb des tosenden Baches auf der Lauer liegt. Mit dem Ge¬ inde ist offenbar nichts anzufangen, Knechte und Dirnen halten zum Bauer, das be¬ weist der Besenwurf zur Genüge. Und den Seppele selbst aushorchen zu wollen, wäre geradezu lächerlich dumm; denn dieser verschlagene Mensch wird der Letzte sein, der über seine Pläne auch nur ein Wörtchen über die Zunge läßt. So „sinnirt“ Fuchs, als unten eine Mädchengestalt aus dem Hause tritt und den Weg zur Anhöhe nimmt. „Alle Wetter!“ flüstert Fuchs vor sich hin, „' Zischkerl (Franziska) selber kommt herauf. Die schmucke Tochter Seppele's schreitet langsam der Anhöhe zu, schlank gewachsen und doch voll in den Formen, wie man sie im Gebirge selten findet, ein rosig an¬ gehauchtes Gesichtchen, blauschwarze reiche Flechten um den reizenden Kopf gewunden ein Mädel so nett und sauber, trotz dem fast ärmlichen unscheinbaren Hausgewande grad zum 'neinbeißen. Das fühlt auch Fuchs, dem ja ein junges Herz noch lebensfroh schlägt, frei¬ lich hoffnungslos, denn ein Finanzer darf

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