Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

7 98 „Das Geld, das Geld, wo ist es?“ keucht der alte Bauer. Der Soldat antwortet nichts, aber ein wildtrotziger Blick belehrt die Bauern, dass er nicht gesonnen sei, seinen Raub fahren zu lassen. Als er von rückwärts gepackt wurde, hatte er rasch den Schatz zusammengerafft und den ledernen Beut¬ unter dem Waffenrock verborgen. Jetzt begann ein gräßliches Ringen. Der Soldat wehrte sich mannhaft gegen die Angreifer, aber endlich mußte er ein 820 40 2 W 905 N Der Teufelsbachfall in Steyr. sehen, dass er unterliegen werde Schon hatten ihn die Bauern zu Boden ge¬ worfen und hielten ihm Hände und Füße. Der alte Bauer begann das Versteck zu suchen, wo er seine Ducaten verborgen glaubte. „Ich hab's“ schrie er plötzlich in wilder Freude auf, und wirklich hielt er in der hocherhobenen Faust den ledernen Beutel, der seinen Schatz enthielt. Da durchzuckte es den Franzosen. Als hätten ihm die Bauern sein Theuerstes geraubt, machte er eine gewaltige An¬ seine strengung, und es gelang ihm, Peiniger von sich abzuschütteln. Im nächsten Augenblick hatte er dem alten Bauer den Geldbeutel entrissen, eine Handbewegung, ein Schwirren in der Luft und — plätsch — flog der Geld¬ beutel ins Wasser und die sich kräuselnde Wasserfläche bezeugte, dass der Schatz, um den vier Menschen so sehr gebuhlt und gerungen, mitten am Grunde des Wasserbeckens lag. Einen Augenblick tanden die drei Bauern starr vor Erstaunen da. Der Soldat aber wollte diesen Moment benützen und nach seinem Ge¬ wehre greifen, das ihm während des Ringens entfallen war. Doch da löste sich der Bann, der auf den Dreien lastete. Der äl¬ tere Sohn erhob rasch ein Hieb die Hacke — und mit einem Auf¬ schrei sank der Soldat, eine klaffende Wunde am Kopfe, zu Boden. In sinnloser Wuth stürzten ich die drei von Rachlust erfüllten Bauern auf den Soldaten. Die Hacken hoch erhoben, Flüche und Verwün¬ schungen ausstoßend, knieten sie auf ihm. Der Franzose bat mit gefalteten Händen um sein Leben. — Allein die Bauern verstanden seine Sprache nicht, und selbst wenn sie ihn verstanden hätten, so würde der Teufel Rachsucht ihnen keine Schonung geheißen haben. Der Franzose erkannte den hohen Ernst der Lage und versuchte ein äußerstes, rührendes Mittel, um sein Leben zu retten. Er zog aus dem Waffenrock ein Kreuz¬ lein hervor, das er an einem Kettlein um den Hals trug, vielleicht der Talis¬ man, den die besorgte Mutter dem schei¬ denden Sohne mitgab, als dieser in den

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