Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1894

112 doppelte ich meine Schritte, um doch noch vor dem Gewitter, das unvermeidlich und sehr bald auszubrechen schien, mein Ziel zu erreichen; und in der That gelang es mir, noch rechtzeitig in's Jägerhaus zu kommen, in welches ich fast athemlos, aber freundlichst von allen Seiten willkommen geheißen, eintrat, ehe noch die ersten schweren Tropfen niederfielen. Das dumpfe Rollen und Grollen des Donners, welches von den Felswänden als nicht endendes Echo wiederhallte, von unzähligen Blitzschlägen begleitet, welche sich immer neu wieder entzündeten, glich manchmal dem Geknatter vieler Gewehrschüsse, unterstützt von dumpfen Kanonenschüssen, so daß man einer Schlacht an- zuwohnen schien. Meiner Habseligkeiten von den beiden Töchtern entledigt, ließ ich mich Anfangs im Vorhause nieder, und während sich jetzt das Gewitter mit ungeheurer Kraft über das enge Thal entlud, trat nach einigen Minuten der am Jägerhause vorbeieilende Bach aus dem Unser heraus und trug eine Menge Kleinholz und sogar Holzblöcke von der nahen Kohlstätte mit sich fort. Ueber Aufforderung des Försters gingen wir Alle in die sogenannte Stube hinein, wo aus dem Tische die geweihte Kerze brannte und bei welcher ein kurzes Gebet verrichtet wurde. Zum Glücke peitschte der heftige Sturmwind das Gewitter gegen Osten früher hinaus, als man allgemein angenommen hatte, und nach ungefähr einer Stunde hatte auch der heftige Regen nachgelassen. Gegen 8 Uhr saßen wir Alle an den Tischen, um unser Nachtessen einzu- nehmen, das aus Wildpret (Hirschfleisch) mit Sauce und Kartoffeln bestand und das mir heute nach dem längeren Marsche besonders gut mundete; meinen Durst löschte ich mit dem zum Tische gebrachten Haustrunk, einem abgelegenen Apfelmost, der mir besser schmeckte, als sonst das beste Vier und der reinste Wein. Nach Beantwortung mehrerer oberflächlicher Fragen, was es draußen auf dem Lande und in der Stadt wieder Neues gebe, mußte die Tochter Marie über Aufforderung ihres Vaters die Zither aus dem Zimmerchen nebenan holen, und ohne lange mich bitten zu lassen, wurde mir meine Guitarre von der Wand herabgereicht, die ich sofort zur Zither stimmte. Nun ging das Musiciren auf deu beiden bescheidenen Instrumenten los, und nachdem Marie mehrere steirische Ländler losgelassen hatte, wurde auch noch gesungen, daß es eine wahre Freude war. Es waren dies meist die in der dortigen Gegend bekannten Schosserischen Gebirgs- und Jägerlieder, zu welchen immer am Schlüsse derselben der Chor mit einfiel, was sich besonders gut anhörte. Wir Alle hatten ja den guten Toni aus Lo- senstein^ der leider im Jahre 1849 in Stadt Steyr gestorben war, persönlich gekannt und erinnerten uns an seine declamatorischen Vorträge, welche den Liedern einen besonderen Reiz verliehen hatten, recht lebhaft, und Mancher von uns widmete bei dieser Gelegenheit dem so früh Verstorbenen einen Nachruf durch Erzählen so mancher Erlebnisse aus Schosser's Leben rc. Mariens Großvater, der alte Förster, welcher bis nun stillvergnügt in der Ecke am Ofentische gesessen und sein Pfeifchen geschmaucht hatte, wurde jetzt mit einem Male lebendig, als wir eben die Gemsjagd von Schlosser gesungen hatten und wovon ich hier die letzte Strophe folgen lasse: Aber, wie wer'n mir den tzjams hierzt krieg'n? Den müass'n ma schon mit an Soal aufzieg'n. Der liegt ja z'tierfast ön Mäuern drinn, Da kann koan Oanziga hin! Chor: Bringt's nur dö Andern z'samm, Weil ma nur soviel ham, Löb'n soll hoch und frei D' Gamsjagerei! — Jetzt erhob sich der alte Förster und erzählte aufrecht stehend die Erlebnisse der im letzten Herbste stattgefundenen Gemsjagd, die er noch als 75jähriger Mann im Hochgebirge mitmachte und bei welcher, wie er besonders hervorhob Se. Excellenz der Statthalter und viele andere hohe Herren, wie Professoren aus Wien, die er Alle dem Namen nach her- nannte und die er auch seit Jahren kannte, ^heil genommen hatten. Es ivar dies, wie er behauptete, die schönste und gelungenste Jagd, die er je in seinem n^".,.^en als Jäger mitgemacht hatte. „22StuckGemsen und außerdem noch zwei Hirsche, darunter einen Sechzehnender, hatten wir damals auf die Decke gebracht!" io schloß er mit sonorer Stimme m,t feurigen Augen, aus welchen eine Freudenthräne hervorsah, und indem erden grauen buschigen Schnurrbart niit femer ^abackspfeife ordnete, seine höchst interessante Schilderung. . Hierauf brach der alte Mann, all- »eits eine gute Nacht wünschend, auf Ä ™ $ ^ wanderten jetzt unseren Schlafstellen im Jägerhause zu, denn es ivar bereits 11 Uhr Nachts vorüber. 3ch bewohnte ein ganz kleines Him- merchen unter dem Dache. In seliger Erinnerung an den vergnügten Abend und unter dem sanften Geräusch eines nach dem Gewitter noch zurückgebliebenen Xu & der auf das Dach niederrieselte, schlief ich ein. i„ dE/^ /$ ^ Zwei Jahren wieder siel mi .Arrliche Gebirgsgegend kani, siel um auf dem kleinen Friedhofe des Dorfes, der hoch oben rings um die SÄ "^ '" der Nähe des alten Schlosses lag mn fnschaufgeworfenes Grab in die Augen. Es war das Grab des alten 77jährigen Försters, der vor enngen Wochen selig in dem Herrn ent- schlafen war. Dasselbe war von den Kindern und Enkelkindern frisch mit Farrenkräntern, 113 Epheu und niit Blumen bepflanzt worden und trat in dieser Gestalt von den übrigen Gräbern befonders hervor. Ein beschei- denes hölzernes Kreuz trug mit weißen Buchstaben auf schwarzem Grunde als Schluß nachstehende Zeilen: O gönnt mir das große Glück, Ich wünsche mich nicht inehr zurück! __ t t i Auf solchen und vielen ähnlichen Wanderungen in der Heiinat und Fremde dresfeits und jenseits des atlantischen Oceans bereicherte ich meine Mappe niit oiverfen Skizzen und hiedurch nut neuen ^deen ausgerüstet, schrieb ich dann so manche meiner Erlebnisse nieder. . Auch sind auf diese Weise so viele meiner späteren bescheidenen Lieder entstanden wie: „Sonn' und Blume" - „Der Zugvogel." - „Die Hutteiin Harn." — „Am See." — „©er ^äger." — „Liebchen Sonnen gold." — „Sängermarsch." — „Die Sensenschmiede."—„Der qan?»"'.Vieler." -„Abschied von 7fdnstern" - „Du kannst es nicht glauben, wie lieb ich Dich ~ welche mich im Kreise meiner vielen Freunde in Dörfern und Städten in Gehöften und Schlössern, in Gewerben und Klöftern bis auf den heutigen Tag in Erinnerung erhalten haben, und zwar fo, daß ich noch manchmal, in irgend eine^ Gesellschaft kommend, aufgefordert weroe, das eine oder andere meiner Lieder, heiteren und ernsten Inhaltes $0™. Stapel zu lassen, was ich selbstverständlich in der angenehnien Erinnerung an die einstigen glücklichen und seligen Tage meiner bewegten Jugend nie ab- schlagen kann so lange noch meine Stimme modulationsfähig ist. Arcinz Kötzthube».'. 8

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