Gemeinderatsprotokoll vom 29. Dezember 1928

Es ist eine Pflicht des politischen Anstandes und der Ausdruck meines persönlichen Empfindens, dass ich bei diesem Anlasse dem Landeshauptmann, der sich mit aller Wärme für die Stadt eingesetzt hat, den Dank der Gemeindevertretung ausspreche. Wir sind nun leider auch gezwungen, da wir den Aufgabenkreis reduzieren müssen, einen Personalabbau, mit dem sich ja der Gemeinderat noch speziell zu beschäftigen haben wird, vorzunehmen. Ich muss hier gleich missverständlichen Auffassungen vorgreifen. Man hört jetzt in der Oeffentlichkeit: Ja, was haben die Beamten bis jetzt getan, wenn man auf einmal eine grössere Anzahl entbehren kann? Die Frage ist ganz unrichtig. Unsere Beamten und Angestellten waren bis jetzt voll beschäftigt. In dem Augenblick aber, wo der Aufgabenkreis eingeschränkt wird, werden eben Menschen, die diesen Aufgabenkreis zu bewältigen haben, frei. Es ist dies eine Massregel, die wir wahrhaftig nur unter dem Druck der furchtbaren Not ergreifen. Ich muss in diesem Zusammenhang die Mitteilung machen, dass der Finanzminister der Meinung ist, dass die Stadtgemeinde sich dofort mit den Beamten und Pensionisten in Verbindung setze, um sie zu einem teilweisen freiwilligen Verzicht auf Gehalt und Pension zu bewegen. Was uns aber am meisten berührt und uns geradezu aufs tiefste erschüttert, das ist der Abbau der sozialen Fürsorge. Wer die Not in dieser Stadt kennt, der muss ohne Unterschied der Partei diese Massnahme am meisten bedauern. Was die Mehrheit des Gemeinderates anlangt, so ist sie ja kraft ihrer Geschichte und Tradition die Vorkämpferin der wirtschaftlich Schwachen und Entrechteten gewesen. Und nun zwingt uns ein grausames Schicksal, unsere Fürsorge zu reduzieren auf die Ansprüche des Armenrechtes. Wer die Geschichte der sozialdemokratischen Partei kennt, weiss, dass ein Sozialdemokrat eine solche Massnahme nur unter dem Druck unwiderstehlichen Zwanges beschliessen kann. Wir würden aber unsere Wähler und die ganze Bevölkerung belügen, wollten wir nicht

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