Gemeinderatsprotokoll vom 21. November 1921

wird, daß wir dem Ansuchen Folge leisten müssen mit der Be¬ gründung, weil der Gemeinderat immer das Recht für sich nimmt, schulfreundlich zu sein, so muß ich darauf erwidern, daß wir uns dieses Recht von niemanden nehmen lassen (Bei¬ fall), auch wenn wir dem Ansuchen nicht Folge leisten. Wenn die anderen Körperschaften, in denen vielleicht Herr GR. Pro¬ fessor Brand etwas darein zu reden hat, schulfreundlich sind wie der Gemeinderat Steyr, dann braucht dem Lyzeum nicht bange zu sein. Die Subventionen des Gemeinderates waren immer ausgiebig, das kann niemand bestreiten; ich meine auch in anderer Beziehung Ich möchte darauf hinweisen, daß das Lyzeum seinerzeit vielleicht ohne Befragung des Gemeinderates errichtet wurde und daher das Lyzeum als eine reine Privat¬ schule zu betrachten ist; die Gemeinde kann nicht alle Privat¬ schulen, die sich nicht mehr hinaussehen, erhalten Das sollten sich die Gründer des Lyzeums eben vor dessen Schaffung gründ¬ lich überlegt haben. Daß dem Lyzeum der jetzige Gemeinderat immer entgegengekommen ist, daß ihm im Hause der Städtischen Handelsschule Räume zur Verfügung gestellt werden, ist sicher. Hier habe ich einen ziemlich dicken Akt, worin unzählige Ansuchen des Lyzealverei es sind, die der frühere Gemeinderat abgelehnt hat; ich glaube, zur Zeit, wo die große Wohnungsnot herrscht, Räume zu überlassen, ist keine Kleinigkeit und bedeutet für die Gemeinde große Opfer und für das Lyzeum selbst eine große Unterstützung. Wir würden aber durch die Bewilligung der Uebernahme der Beheizung mit uns selbst in Widerspruch kommen, weil wir bei allen Gelegenheiten und allen Städte¬ tagen unter Hinweis auf die Unmöglichkeit der Erhaltung der Schulen durch die Gemeinde verlangen, daß diese Lasten durch den Staat übernommen werden. Wir verlangen aus denselben Gründen die Verstaatlichung der Handelsschule, für die wir fechten gehen müssen. Wenn wir dem Lyzeum den Handelsschul¬ wart zur Verfügung stellen, so bedeutet dies ebenfalls eine Unter¬ stützung, weil auch dadurch der Gemeinde ziemliche Kosten er¬ wachs n; ebenso verhält es sich mit der Reinigung der Lyzeal¬ räume, so daß der Gemeinde sehr viele Mehrkosten für ihr Ent¬ gegenkommen erwachsen. Die Gemeinde ist also außerstande, dem Ansuchen Folge leisten zu können. Wenn die Herren der anderen Körperschaften schulfreundlich sein wollen, wie sie dies auffassen, so bietet sich ihnen für eigene Schulen hiezu Gelegenheit genug. Es dürfte den meisten Herren vielleicht nicht einmal bekannt sein, in welchem Zustande sich unsere Schulen befinden; es ist fast ein Skandal, dessen Behebung Millionen erfordern würde Das wäre wichtiger als Privatschulen zu unterstützen. Wir würden sicherlich bereit sein, auch Privatschulen zu unterstützen, wenn sich eine Möglichkeit hiezu ergäbe; auf der anderen Seite wollen uns aber Mittel mit der Begründung verweigert werden, weil man angeblich die Vorlage nicht studieren konnte und man daher nicht dafür stimmen könne; andererseits verlangt man, die Gemeinde möge zahlen. Es hat fast den An¬ schein, als ob gewisse Herren eine Freude daran hätten, die Gemeinde in recht viele Ausgaben zu treiben, damit sie recht viele Schulden habe. Es würde uns gewiß aufrichtig freuen, wenn wir das Lyzeum auch unterstützen könnten, nachdem wir aber mit der Erhaltung der eigenen Schulen zu kämpfen haben, sind wir leider gezwungen, diesem Ansuchen nicht Folge zu leisten. Herr GR. Frühwald erklärt, daß die Worte des Herrn Vizebürgermeister Dedic doppelt zu unterstreichen seien. Wenn so viele Kinder von Waffenfabriksbeamten das Lyzeum besuchen, so wäre es wohl natürlich, daß die Waffenfabriks=Direktion dem Lyzeum Holz beistelle; die betreffenden Beamten könnten ganz gut bei ihrer Direktion vorstellig werden Wenn die Gemeinde etwas unternehmen solle, so müsse sie in erster Linie die eigenen Schulen ausbauen Redner ersucht, dem Sektionsantrage zuzu¬ stimmen Herr GR. Vogl erinnert daran, daß die Gemeinde selbst in ihren eigenen Schulen die wichtigsten Herstellungen zurück stellen mußte, weil ihr die Mittel hiezu mangeln; was gemacht werden konnte, war nur primitives. Redner verweist darauf, daß von den Bürgerlichen bei einer Sammlung für das Lyzeum die Spottsumme von 3000 Kronen eingegangen sei und damit bewiesen wurde, daß das Interesse an dem Lyzeum von der Oeffentlichkeit nicht besonders bewiesen wurde. Was die Holz¬ lieferung von der Waffenfabrik anbelangt, so sei eine solche wohl gänzlich aussichtslos; das beweist die Subvention der Waffenfabrik an die Städtische Handelsschule im Betrage von 500 Kronen (Heiterkeit), obwohl gerade die Waffenfabrik die meisten Schüler der Handelsschule für ihre Kanzleizwecke bekomme, schätze sie selbst diese städtische Schule nicht höher ein. Redner ersucht schließlich, dem Sektionsantrage zuzustimmen Herr Vizebürgermeister Mayrhofer bemerkt, daß die Schwierigkeit, dem Lyzeum nicht im begehrten Sinne helfen zu können, wohl in der sinanziellen Lage der Gemeinde liege. Die Handelsschule wie das Lnzeum sind seinerzeit sozusagen herein¬ geschmuggelt worden, ohne wirkliche Mittelschulen oder sonst vollendete Institute zu sein. Vor dem Kriege war es leichter, Subventionen von 100 bis 150 Kronen zu geben, darum konnte man schon etwas schaffen. Wenn ein Vorwurf gemacht wurde. daß der Gemeinderat etwa gegen das Lyzeum nicht schulfreund¬ lich sei, so muß auf den Ausbau der alten Fachschule für Schul¬ zwecke hingewiesen werden, welcher Millionen verschlungen hat. Wenn jemand in der Lage ist, der Gemeinde neue Einnahms¬ quellen zu erschließen, würde der Gemeinderat sicher mit Freuden bereit sein, noch weiter zu gehen als bisher, so aber ist die Gemeinde in Gefahr, nicht einmal die laufenden Gehalte aus¬ zahlen zu können Redner erklärt sich den Ausführungen des Herrn Vizebürgermeister Dedic anzuschließen Herr GR. Prof. Brand: Herr Vizebürgermeister Dedic in sehr bewegten Worten auch verlangt, es mögen jene Körperschaften, in welchen ich vorstehe ich sitze auch im oberösterreichischen Landtage - sich als schulfreundlich erweisen. Der Herr Bürgermeister wird mir das Zeugnis ausstellen können, wie ich mich bemüht habe, sowohl für die Städtische Handelsschule, wie für das Lyzeum höhere Subventionen zu erlangen als bisher, was auch tatsächlich vom Landtage ange¬ nommen wurde. Bezüglich meiner Schulfreundlichkeit kann ick darauf hinweisen, daß einer Ihrer eigenen Parteigenossen erklär hat, seit ich im Schulausschusse sitze, weht ein schulfreundlicher Wind in diesem Ausschusse, und wenn hier gesagt wird, in welchem Zustande sich unsere Schulen befinden, so ist das das¬ selbe, was ich schon vor zehn Jahren sagte Ich habe auch in einer Gemeinderatssitzung in geistiger Beziehung einen Rund¬ gang durch die Schulen gemacht und auf die Uebelstände hin¬ gewiesen. Ich bedauere, daß die frühere Majorität immer taube Ohren hatte; für die Schulen ist abr das Beste gut genug. Wenn es gilt für Schulen Opfer zu bringen, so sind wir es gewiß, die denselben zustimmen. Ich war der erste, der den Ausbau der Bürgerschule beantragt hat; leider ist dies bisher nicht geschehen. Seitdem sind die Baukosten so gestiegen, daß unsere Gemeinde nicht mehr in der Lage ist, den Bau aus¬ zuführen. Ich selbst, wie meine Partei weisen daher den Vor¬ wurf, daß wir nicht schulfreundlich sind, zurück; wir sind gerne bereit, das zu bewilligen und zu unterstützen, was für die Jugend in den Schulen notwendig ist, und dafür die größten Opfer zu bringen und zu tragen. Herr GR Dr. Peyrer bedauert die entgleiste Debatte und erklärt, daß Zwischenrufe gefallen sind, die mit der Be¬ heizung des Lyzeums schon gar nichts zu tu haben Wenn man sagt, wir haben keine Mittel, das Bauen ist uns un¬ möglich, so ist dies begreiflich, wenn man aber damit Dinge verquickt, die gar nicht zusammengehören, so muß ich dagegen protestieren. Man konnte Zwischenrufe hören, wie: Es habe eine höhere Bildung keinen Zweck „Widerspruch), was wohl ein ganz verfehlter Standpunkt ist, denn schließlich eine höhere Bildung und ein Emporstreben der Bevölkerung hiezu ist nur zu wünschen. Richtig ist, daß sich unsere Partei in vielen Dingen nicht ausreichend informieren kann; daß dies ermöglicht wird, verlangen wir mit gutem Recht. Der Wille, zu tun was möglich ist, muß außerhalb den Parteien stehen; die Entgleisung in der Debatte wird wohl einer Nervosität zuzuschreiben sein, weil keiner noch zu abends gegessen hat. Herr GR. Witzany sagt, daß nicht der Hunger die Erregung hervorgerufen hat, sondern das Streben, die Schul¬ frage in Steyr überhaupt einer Remedur zu unterziehen Bei den kompetenten Faktoren findet man, wenn es sich um die Verstaatlichung der Schulen handelt, noch immer taube Ohren, weil diese fürchten, wenn die Schulen von Gemeinden und Land unabhängig gemacht werden, vielleicht die Glöcklsche Schulreform verwirklicht werde Interessant ist auch, daß sie erklären, für jedes Opfer zu sein, aber die Fürsorgeabgabe soll die Waffenfabrik allein leisten oder die Arbeiterschaft allein diese Lasten auf sich nehmen. Wenn die Herren schon so für die Schulen sind, so müssen sie auch darnach schreien, daß den Bauern die Grundsteuer erhöht wird, um die Lasten zu ver¬ teilen. Man geberdet sich im Gemeinderate schulfreundlich, in Wirklichkeit könnten sie sich mit aller Gewalt auch anders dafür einsetzen und wenn auch Herrn GR. Professor Brand eine Schulfreundlichkeit nicht abgesprochen wird, aber innerhalb seiner Partei ist dies nicht vorhanden, weil sie die Ausgestaltung der Schulen in freiheitlicher Richtung fürchten Das Lyzeum ist allerdings eine Privatschule, aber dennoch möchte ich auch heute den Antrag auf Bewilligung von 15 Metern wiederholen. Herr GR. Prof. Brand erklärt, daß die Frage der Ver¬ staatlichung im oberösterreichischen Landtage nie aufgerollt wurde Herr GR. Witzany antwortet, daß man eben dieser Frage ausweiche, denn, wenn es sich um die Aufbringung von Mitteln handle, ist von einem schulfreundlichen Gebaren nicht viel zu spüren. Im übrigen halte er seinen Antrag auf kosten¬ lose Zuweisung von 15 Meter Brennholz an das Lyzeum aufrecht. Herr Vorsitzender bemerkt hiezu, daß die Städtische Handels¬ schule keine Schule sei, die von der Gemeinde übernommen, sondern von der Stadtgemeinde selbst ins Leben gerufen wurde Herr GR. Dr. Furrer beantragt Schluß der Debatte. Die Abstimmung über diesen Antrag ergibt die Annahme desselben. Herr GR. Prof. Brand meldet sich zur Richtigstellung und erklärt, daß Herr GR. Witzany unsere Fraktion für die ganze christlich-soziale Partei verantwortlich gemacht habe; dies sei nicht richtig, weil wir als Gemeindevertreter auch nur dem Gemeinderate gegenüber verantwortlich sind und als lleine¬ Körper niemals für die gesamte christlich-soziale Partei verantr wortlich gemacht werden können.

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