Gemeinderatsprotokoll vom 17. Juni 1921

Amtsbericht. Bei Abschluß eines Vertrages mit der allgemeinen Arbeiter¬ Bau= und Wohnungsfürsorge=Genossenschaft in Steyr hinsichtlich Ueberlassung des Grundes für den Bau von sechs Arbeiter= und Beamtenwohnhäuser auf der hohen Ennsleite handelt es sich zunächst um die Erledigung der Frage, ob der Grund im Erb¬ pachte überlassen werden soll oder im Wege eines Baurechts¬ vertrages Ein Erbpachtvertrag ist derjenige, mit welchen jemanden das Nutzungseigentum eines Gutes erblich unter der Bedingung überlassen wird, daß er die jährlichen Nutzungen mit einer jährlichen im Verhältnisse zu dem Ertrage bestimmten Abgabe in Geld, in Früchten oder auch in verhältnismäßigen Diensten vergelten soll; wird von dem Besitzer jedoch nur eine geringe Abgabe zur Anerkennung des Grundeigentums geleistet, so ist dies ein Erbzinsvertrag. Bei dieser Art von Verträgen handelt es sich also meist um die Ueberlassung des Nutzungs¬ eigentumes, und zwar in erblicher Ueberlassung Soviel aus den Besprechungen des Gemeinderatspräsidiums lekannt ist, so beabsichtigt die Gemeinde Steyr, daß der Grund formell nur gegen einen Anerkennungszins auf eine bestimmte Reihe von Jahren überlassen wird, daß jedoch ihr die darauf erbauten Häuser nach einer Reihe von Jahren als Eigentum zufallen. In diesem Falle würde es sich wohl empfehlen, einen Baurechtsvertrag gemäß des Gesetzes vom 26. April 1912, R. G=Bl. Nr. 86, abzuschließen. Unter letzterer Annahme erlaube ich mir folgenden Bau¬ rechtsvertragsentwurf vorzuschlagen: Baurechtsvertrag, welcher zwischen der Stadtgemeinde Steyr auf Grund des Be¬ schlusses des Gemeinderates vom 17. Juni 1921 einerseits und der Allgemeinen gemeinnützigen Arbeiter=Bau= und Wohnungs¬ fürsorge=Genossenschaft in Steyr im nachfolgenden kurz nur Genossenschaft benannt, anderseits abgeschlossen wurde, wie folgt: Die Stadtgemeinde Steyr bestellt der Genossenschaft an dem im Grundbuche der Katastralgemeinde Steyr, E. Z. 605, ein¬ getragenen, der Stadtgemeinde Steyr gehörigen Liegenschaften, und zwar eines Teiles der Parzelle K. Z. 16183 im Gesamt¬ ausmasse von 3580 Quadratmetern auf die Dauer von 70 Jahren gegen Zahlung eines jährlichen Bauzins von Kronen 358, sage dreibundertfünfzigacht, ein Baurecht im Sinne des Gesetzes vom 26. April 1912, R.=G.=Bl. Nr. 86. Die Frist von 70 Jahren beginnt am 1. Juli 1921. Kraft dieses Baurechtes ist die Genossenschaft berechtigt, auf den im Absatze 1) genannten Liegenschaften sechs Arbeiterwohn¬ häuser zu errichten und zu benützen. Die für die Objekte nicht in Anspruch genommenen Teile dieser Liegenschaften ist die Genossenschaft gleichfalls für Zwecke der zu erbauenden Wohnhäuser zu verwenden berechtigt. Die Genossenschaft ist verpflichtet: 1. die Bauwerke während der Dauer des Baurechtes in einem der Benützungsdauer und der Verwendung als Arbeiterwohnhäuser entsprechenden nor¬ malen Zustand zu erhalten. 2. Die Bauwerke während der Dauer des Baurechtes bei einer zum Geschäftsbetriebe in Oesterreich zugelassenen Versiche¬ rungs=Gesellschaft in einer dem Werte der Häuser entsprechenden Höhe gegen Brandschaden zu versichern. Die Genossenschaft ist verpflichtet, vom Tage des Beginnes des Baurechtes den jährlichen Bauzins von .. Kronen in halbjährig im Nachhinein jeweils am 3. Juni und am 3. De¬ zember eines jeden Jahres fällig werdenden Halbjahrsraten von je .. . Kronen zu Handen der Gemeindekasse der Stadt Steyr und im Falle nicht rechtzeitiger Zahlung vom Rückstande fünf Prozent Verzugszinsen zu entrichten. Die Gemeinde Steyr ist berechtigt, das Baurecht als erloschen zu erklären, wenn der Banzins durch zwei aufeinanderfolgenden Jahre rückständig bleibt und binnen drei Wochen nach geschehener Androhung das Baurecht als erloschen erklären, nicht berichtigt wird. Die Genossenschaft trägt sämtliche, von dem mit dem Bau¬ rechte belasteten Grundstücken und den auf demselben errichteten Bauwerken nach bestehenden und künftigen Gesetzen zu entrich¬ tenden Steuern, Abgaben und sonstigen öffentlichen Lasten, so weit solche die Gemeinde tresfen würden. Daß vom Baugrunde und Baurechte zur Vorschreibung gelangende Gebuhrenäquivalent trägt die Genossenschaft Die Genossenschaft räumt der Gemeinde Steyr für alle Fälle der Veraußerung des Baurechtes das auf der neu zu er¬ dnmnenden Baurechtseinlage grundbücherlich sicherzustellende Vor¬ kaufsrecht ein Dieses Recht erlischt jeweils für den einzelnen Veräußerungsfall, falls die Gemeinde Steyr der Genossenschaft nicht innerhalb 14 Tagen nach der unter Mitteilung der Ver¬ kaufsbedingungen erfolgten Anzeige der Veräußerungsabsicht schriftlich erklärt hat, daß sie ihr Vorkaufsrecht ausübe. Bei Erlöschen des Baurechtes fallen die Bauwerke kostenlos und ohne Entschädigung in das Eigentum der Stadtgemeinde Steyr. Pfand= und andere dingliche Rechte an den Grund und den darauf erbauten Objekten darf die Genossenschaft nur inso¬ weit bestellen, daß die dadurch entstehende Belastung nicht die Hälfte des Wertes des Baurechtes bezw. des Wertes der Objekte übersteigt, welcher nicht durch Garantie des Staates und der Waffenfabrik gedeckt erscheint und die Schuld durch die verein¬ barten Annuitäten oder durch gleichmäßige in Zeitabschnitten von höchstens einem Jahre fälligen Ratenzahlungen spätestens im fünften Jahre vor Erlöschen des Baurechtes berichtigt sein wird. Die Gemeinde Steyr erteilt ihre Bewilligung, daß die Parzellen Nr. vom Gutsbestande der E.=Z ... des Grund¬ buches der Katastralgemeinde .. .. abgeschrieben und für dieselben im Grundbuche der Katastralgemeinde Steyr eine eigene Grundbuchseinlage eröffnet und auf Grund dieses Ver¬ trages das Baurecht zu Gunsten der allgemeinen gemeinnützigen Arbeiter=Bau= und Wohnungsfürsorge=Genossenschaft in der Dauer von 70 Jahren als Last einverleibt und für das Bau¬ recht eine neue Grundbuchseinlage eröffnet werde Das Baurecht darf jedoch nur dann einverleibt werden, wenn gleichzeitig in der neuen Baurechtseinlage die im Absatze 3 näher bezeichneten Verbindlichkeiten zu Gunsten der Gemeinde Steyr einverleibt werden Die Allgemeine gemeinnützige Arbeiter=Bau= und Wohnungs¬ fürsorgegenossenschaft erteilt ihre Einwilligung, daß zu Gunsten der Gemeinde Steyr ob der für das Baurecht zu eröffnenden neuen Grundbuchseinlage: 1. Die Verpflichtung zur Erhaltung der Arbeiterwohnhäuser gemäß Absatz 3, Punkt 1, dieses Vertrages als Reallast; 2. das Vorkaufsrecht gemäß Absatz 6 dieses Vertrages; 3. die Beschränkung in der Bestellung von Pfand= und anderen dinglichen Rechten gemäß Absatz 8 dieses Vertrages einverleibt werde Die Gemeinde Steyr leistet Gewähr dafür, daß auf den im Absatz 1 bezeichneten Liegenschaften keinerlei Pfand= oder andere Belastungsrechte haften. Beide Vertragsteile verzichten auf das Rechtsmittel, diesen Vertrag wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes anzufechten. Die mit der Errichtung dieses Vertrages und seiner grund bücherlichen Durchführung verbundenen Kosten und Gebühren trägt die Allgemeine gemeinnützige Arbeiter=Bau= und Wohnungs¬ fürsorge=Genossenschaft in Steyr Von diesem Vertrage wurde eine Urschrift für die Gemeinde Steyr ausgefertigt, die Genossenschaft erhält davon eine beglaubigte Abschrift. Urkund dessen nachstehende Fertigungen. Steyr, am Hiezu bemerkt der Herr Referent: Die Genossenschaft hat den Wunsch ausgesprochen, daß noch folgende Bestimmung aufgenommen werde: „Der Genossenschaft steht es frei, innerhalb 35 Jahren vom Inkrafttreten diese¬ Vertrages die in diesem Vertrage bezeichneten Gründe zu dem jeweiligen Marktpreis käuflich von der Gemeinde zu erwerben. Die Sektion hat diesem Begehren zugestimmt und empfieh!: die Annahme ihres vorgedachten Antrages Herr Vorsitzender Vizebürgermeister Nothhaft glaubt, daß die Behandlung der Angelegenheit in drei Teile zu teilen sei und erstens über das Elaborat selbst eine Debatte abzuführen wäre, dann darüber, ob der Grund eventuell käuflich oder gegen einen Anerkennungszins überlassen werden soll und schließlich über den Vertragsentwurf selbst. Herr GR. Dr. Peyrer erklärt, daß er im großen und ganzen für den Sektionsantrag stimme, jedoch wünsche, daß für jede zu erbauende Liegenschaft ein besonderer Vertrag errichtet werde, weil sich bei jedem einzelnen Objekte Anstände ergeben können, die auf andere Objekte nicht rückwirkend sein sollen. Es sei auch möglich, daß einzelne Objekte wegen Mangel an Mittel nicht gebaut werden, so daß der Vorbehalt der Stornie¬ rung des betreffenden für das bezügliche Objekt geltenden Ver¬ trages ermöglicht werde Herr Referent Bürgermeister Wokral sagt, daß gegen diese Anregung nichts einzuwenden wäre, da es nicht ausge¬ schlossen sei, daß momentan nicht alle sechs Objekte in Angrin genommen werden können

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