Gemeinderatsprotokoll vom 15. April 1921

tigen zu müssen, stellen wir ihnen zwei Alterna¬ tiven: Entweder es bleibt bei den mit Ihren Herren Funktionären getroffenen Verabredungen, der Ver¬ trag tritt in der bei der letzten Zusammentretung vereinbarten Fassung in Kraft, die gegenständlichen Häuser sind sohin als Werkswohnungen qualifiziert, und dadurch unser Recht außer Diskussion gestellt, daß wir einen nicht unseren Arbeiterstande ange¬ hörigen Mieter kündigen können, wenn wir die Häuser für Zwecke der Unterbringung unserer Ar¬ beiter benötigen; oder aber wir verzichten auf den Abschluß des Vertrages in der vereinbarten Form, bieten Ihnen hingegen einen Mietbeitrag für jede von einem Ar¬ beiter unseres Betriebes innegehabte Wohnung, welcher Mietbeitrag sich auf Grundlage des Betrages von 334.000 K pro anno auf rund 1300 K pro Wohnung und Jahr stellen würde. Der Arbeiter hätte in diesem Falle seinen Zins direkt an die Ge¬ meinde zu entrichten. In diesem Falle würde dann die Stadtgemeinde Hausherrin mit allen Rechten und Pflichten bleiben. Die Sektion empfiehlt der zweiten Alternative zuzustimmen und beantragt: Der Gemeinderat stimmt der zweiten Alter¬ native zu, die von der Oesterreichischen Waffen¬ fabrik mit Schreiben vom 10. März l. J. gestellt wurde, nämlich, daß an Stelle eines 54jährigen Baurechts= oder Bestandvertrages der Zuschuß der Waffenfabrik in den verlorenen Bauaufwand für die Häuser auf der hohen Ennsleite in der Art er¬ folgt, daß: 1. Die Waffenfabrik sich verpflichtet, der Stadt¬ gemeinde einen Mietbeitrag von jährlich 1300 K, zahlbar vierteljährig im Vorhinein, für jede Woh¬ nung zu leisten hat, die an einem in einem Betriebe der Oesterreichischen Waffenfabriks=Gesellschaft be¬ schäftigten Arbeiter oder Angestellten vermietet ist; 2. Daß die Waffenfabrik darüber hinaus sich weiter verpflichtet, der Stadtgemeinde Steyr einen Beitrag zu den Verwaltungs= und Erhaltungskosten von jährlich 700 K, zahlbar vierteljährlich im Vor¬ hinein, für jede Wohnung zu leisten, für die sie den zuerst genannten Mietbeitrag von K1300.— bezahlt so daß sich der erstgenannte Beitrag auf K 2000.— pro Jahr und Wohnung erhöht. Hiezu bemerkt der Herr Referent, daß sich bereits ein Interessent gefunden hätte, welcher der Stadtgemeinde einen Mietbeitrag vonjährlich K 2500.— pro Wohnung angeboten hat; die Ge¬ meinde habe natürlich vollkommen freie Hand und wäre es Sache der Waffenfabrik, mit der Stadt¬ gemeinde abzukommen, daß die Wohnungen für die Waffenfabriksarbeiter oder Angestellten vermietet werden können. Herr Vizebürgermeister Nothhaft fügt den Worten des Herrn Referenten an, daß zu den 2000 K auch noch die Mjetzinse der Waffenfabriks¬ arbeiter zuzuzählen kommen, so daß der Mietzins¬ ertrag pro Wohnung und Jahr mit 2500 bis 9600 K einzuschätzen ist. Damit ist der der Ge¬ meinde von anderer Seite angebotene Betrag erreicht und kann noch erhöht werden, weil durch die späteren Verhältnisse die Mietzinse überhaupt auf eine neue Basis gestellt werden müssen. Auf einer Antrag die Häuser auf der Ennsleite zu verkaufen könne man heute nicht eingehen, weil diese nach den zu erwartenden Verhältnisse einen ziemlich hohen Wert erreichen werden und es der Gemeinde immer unbenommen bleibt, einen günstigen Verkaufsah. schluß zu erreichen. Da von den Mitgliedern des Gemeinderates das Wort zum Antrage nicht gewünscht wird, schreitet der Herr Vorsitzende zur Abstimmung. Der Antrag des Referenten wird vom Ge¬ meinderate angenommen. Zweite Sektion. Punkt 6. Stadtkassetagebuchabschluß pro März 1921. Herr GR. Referent Vizebürgermeister Noth¬ haft trägt den Abschluß vor, welcher sodann vom Gemeinderate zur Kenntnis genommen wird. Punkt 7. Beschlußfassung über die Aufnahme eines Darlehens zur Deckung von Nachtragsforde¬ rungen und Ordnung der Gemeindefinanzen. Referent Herr Bürgermeister Josef Wokral. Vor kurzem hat sich der Gemeinderat damit beschäftigt, um einen Kredit von 15 Millionen Kronen aufzunehmen und zwar zur Deckung der laufenden Abgänge für das Jahr 1921. Der Be¬ schluß des Gemeinderates vom 28. Februar konnte bisher vom Landtage nicht genehmigt werden, weil die letzte Session des Landtages unterbrochen werden mußte. Um die Erledigung rascher zu erlangen, versuchte die Gemeinde vorläufig beim Landesrate die Bewilligung zur Aufnahme dieses Darlehens zu erhalten; trotz der erteilten Genehmigung konnte die Flüssigmachung der Anleihe bisher nicht erfol¬ gen. Wir haben neuerdings nachgewiesen, daß wir auch mit diesen 15 Millionen Kronen das Aus¬ langen nicht finden, denn bevor diese eintreffen, sind sie schon wieder verbraucht, weil sich durch die Bau¬ führungen eine Reihe von Ueberschreitungen er¬ geben haben, und andererseits eine Reihe von Be¬ schlüssen des Gemeinderates auf Festsetzung einer Bierauflage von 20 K per Hektoliter und von 80 K per Hektoliter für gebrannte geistige Getränke, fer¬ ner die 10prozentige Abgabe von Speisen und Ge¬ tränken in Vergnügungslokalen usw. noch nicht genehmigt bezw. noch nicht wirksam gemacht werden konnten. Dies bedeutet einen großen Ausfall an Einnahmen, während die Ausgaben enorm gestiegen sind, so daß sich naturgemäß ein bedeutender Ab¬ gang ergeben muß, der heute selbst dann nicht mehr wettgemacht könnte, wenn die vorgenannten Ab¬ gaben schon wirksam wären. Auch bezüglich der Zinsheller konnte noch keine Wirksamkeit dieser Ab¬ gabe erzielt werden; wo diese Angelegenheit dermalen steckt, konnte man nicht erfahren. Von Seite des Kassenamtes wurde ein Bericht vorgelegt, welcher das Präsidium eingehend beschäf¬ tigte, um einen Weg zu finden, der der Gemeinde verwaltung die Möglichkeit gibt, diese ständigen Schwierigkeiten endgiltig zu beheben, weil der ge¬ genwärtige Zustand unhaltbar ist. Auch von der Stadtbuchhaltung wurde ein Be¬ richt vorgelegt. Durch diese Anträge könnte es der Gemeinde wohl gelingen, zu verhindern, daß wir alle Monat vor den Gemeinderat wegen Beschaffung von Mit¬ teln treten müssen; dabei würden die hohen Zinsen¬ lasten abgestoßen und durch Konvertierung der Schulden ein geringer Zinsendienst Ersparungen bringen. Angesichts der in den beiden Berichten ausge¬ drückten Situation bin ich beim Bundesministerium für Finanzen vorstellig geworden, um unter Hin¬ weis auf die außerordentlich gesteigerten Personal¬ auslagen einen Staatszuschuß zu erwirken. Die¬ stieß jedoch auf Schwierigkeiten, als ein Schlüssel gefunden werden müßte, um andere größere, nicht autonome Städte, welche fast dieselben Personal¬ auslagen zu leisten haben, nicht unberücksichtigt zu lassen. Auf die Darlegungen der tristen Verhältnisse Steyr hat sich der Bundesminister jedoch bereit er¬ klärt, einen Staatskredit von 5 Millionen Kronen zu bewilligen. Diese Summe ist mit 5½ Prozent zu verzinsen. Die Zinsenzahlung hat halbjährig nach¬ hinein zu erfolgen. Die Gesamtschuld ist nach fünf Jahren auf einmal zur Gänze zu tilgen.

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