Gemeinderatsprotokoll vom 24. März 1921

Nachdem Herr GR. Prof. Brand empfiehlt, über eine Ver¬ tagung dieses Punktes erst zu sprechen, wenn man im Zuge der Verhandlungen zu demselben gelangt sei, stimmt der Gemeinderat dieser Anregung zu. Vor Eingehung in die Tagesordnung bringt der Herr Vor¬ sitzende eine Interpellation betreffend die Kalamität in der Holz¬ versorgung zur Kenntnis, welche lautet: „Was gedenkt das löbliche Präsidium zu tun, um die Kalamität in der Holzversorgung zu bereinigen Einzelne Holzhändler haben ihre Verpflichtungen punkto Ausgabe des raionierten Holzes nach Möglichkeit nachzukommen versucht. Andere wieder haben sich um das raionierte Holz nicht gekümmert und ihre Transportbehelfe nur für das viel teuere Exkontingent verwendet und kein einziges Scheit Holz von dem raionierten verkauft Ich frage an, ob Hetzer auch in Zukunft mit Holz von seite der Gemeinde zum Verschleißen bedacht werden. L Steinbrecher“ und weist diese der Sektion „Holzbeschaffung" des Städtischen Wirtschaftsrates zu Weiters läßt der Herr Vorsitzende die Aeußerung des Stadtphysikates über die Typhusfälle in Steyr zirkulieren. Die beantragte Nachwahl in den Wohnungsausschuß und Städtischen Wirtschaftsrat wird am Schlusse des öffentlichen Teiles der Sitzung vorgenommen werden Der Gemeinderat tritt sodann in die Beratung der Tages¬ ordnung ein: Die Punkte 1, 2 und 3 sind vertraulich. 4 Beschaffung von Uniformen für die hierstädtische Sicher¬ heitswache. Referent Herr GR. Ruckerbauer. Von der ersten Sektion des Gemeinderates wurde uns ein Akt betreffend die Beschaffung von Uniformen für die städtische Sicherheitswache übergeben, weil es sich mit Rücksicht auf einen bereits bestehenden Beschluß der ersten Sektion nur mehr darum handelt, den finanziellen Teil des Gegenstandes zu beraten und die Bewilligung der erforderlichen Mittel in Antrag zu bringen. Die zweite Sektion stellt den Antrag: „Der Gemeinderat beschließe die Bestreitung der Kosten der Uniformierung bi¬ zum Betrage von einer halben Million Kronen zu bewilligen. Herr GR Professor Brand wendet sich dagegen, daß im Antrage eine bestimmte Grenze „bis zu einer halben Million Kronen" festgesetzt werde. Herr Vorsitzender bemerkt, daß es besser sein würde, keinen bestimmten Betrag festzusetzen; vielleicht könnte die zweite Sektion ihren Antrag dahin abändern. Herr Referent (R. Ruckerbauer erklärt, nicht in der Lage zu sein, den Antrag zu ändern, wohl aber steht es dem Gemeinderat frei, denselben zu erweitern; es fehle auch der zweiten Sektion jede Handhabe zur Aenderung des Antrages weil sie an denselben gebunden ist und einen Nachtragskredit in Anspruch nehmen müßte. Herr GR. Steinbrecher stellt den Antrag: Der „Ge¬ meinderat wolle die Kosten der Uniformierung bewilligen." Herr Vizebürgermeister Dedie bemerkt, daß ihm dieser Antrag sympathischer sei, als der Sektionsantrag, nichtsdesto¬ weniger aber getrachtet werden müsse, daß der von der Sektion genannte Betrag nicht übe schritten werde. Ich habe mit Herrn Vizebürgermeister Nothhaft die ganze Angelegenheit durchgegangen, es sind auch die Stoffe bereits gekauft, weil Gelegenheit war, diese noch billiger zu erwerben Herr GR Schickl sagt: Die Sicherheitswache kostet der Gemeinde schon ein Vermögen; wir werden mit dem genannten Betrag nicht ausreichen. Zum Schluß verlangt die Wache noch ein eigene Schneiderei. Die Sicherheitswache kostet der Gemeinde schon fast fünf Millionen Kronen und stehen die Erfordernisse derselben mit dem Budget durchaus nicht mehr im Ernklange. Es wäre viel besser, wenn wir nochmals über die Verstaatlichung der Wache beraten würden; diese war ja schon knapp beschlossene Sache Am besten ist es, die ganze Sache nochmals zurückzustellen. Herr Vorsitzender bemerkt, daß die Verstaatlichung der Sicherheitswache nicht auf der Tagesordnung stehe und daher nicht Gegenstand einer Beratung sein könne. Herr GR. Schickl befürchtet, daß schon nach kurzer Zeit wieder eine Neuuniformierung verlangt werden wird. Der Herr Vorsitzende schreitet mit dem Bemerken, daß inzwischen über die Einbringung eines Antrages auf Verstaat¬ lichung der Wache verhandelt werden könne, über den Antrag des Herrn GR. Steinbrecher als den weitergehenden zur Ab stimmung Dieser Antrag wird vom Gemeinderate angenommen. 5. Beschlußfassung über die Einhebung einer Bierauflage von 20 Kronen per Hektoliter. Referent Herr GR. Rudda. Die Angelegenheit hat bereits den Gemeinderat beschäftigt und hat derselbe im Vorjahre die Einhebung einer Bierauflage von 20 Kronen per Hektoliter beschlossen; diesen Beschluß hat jedoch das Bundesministerium für Finanzen verworfen In¬ zwischen ist aber ein Landesgesetz erschienen, welches den Ge¬ meinden das Recht gibt, eine Bierauflage von 5-20 Kronen per Hektoliter und eine Umlage bis zu 80 Kronen per Hekto¬ liter für gebrannte geistige Getränke einzuheben. Von diesem, mit Landesgesetz zugestandenen Rechte macht nun die Gemeinde Steyr Gebrauch, und stellt daher die Sektion folgenden Antrag: „Der Gemeinderat beschließe die Einhebung einer Gemeinde¬ Bierauflage von 20 Kronen per Hektoliter und die Einhebung einer Gemeindeumlage auf gebrannte geistige Getränke von 80 Kronen per Hektoliter. Um die Genehmigung der genannten Umlagen ist beim Landesrate sofort anzusuchen. Bis zur Ge¬ nehmigung der neuen Umlagen erfolgt die Einhebung einer Bierauflage von 5 Kronen per Hektoliter Der Sektionsantrag wird vom Gemeinderate einhellig angenommen. 6. Neuerliche Beratung hinsichtlich der Häuser auf der Ennsleiten. Herr Vorsitzender Vizebürgermeister Mayrhofer nimmt auf seine eingangs der Sitzung gemachte Mitteilung, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abzusetzen sei, Bezug und erteilt Herra Dr. Peyrer hiezu das Wort: Herr GR. Dr. Peyrer erklärt, daß doch vorerst die Gründe bekannt zu geben wären, warum der Punkt von der Tages¬ ordnung abgesetzt werden solle. Die Sektion hat einstimmig be¬ schlossen und es scheint, daß der Herr Bürgermeister neue Ver¬ handlungen folgen sieht; es wäre mir jedoch unerfindlich, in¬ wieweit neue Verhandlungen dem Sektionsbeschlusse wider¬ sprechen. Der Sektionsbeschluß geht dahin, daß die Gebäude im Besitze der Gemeinde bleiben und daß die Gemeinde, das was sie sonst im Wege des Baurechtsvertrages bekommt, aus freien Stücken erhält. Das hindert doch in keiner Weise, darüber Ver¬ handlungen zu pflegen und war gerade dies der Grund, warum die Sektion die Annahme der zweiten Alternative empfohlen hat. Es wurden in der Sektion finanzielle Bedenken geltend gemacht, die ich nicht teilen kann; um die 150.000 Kronen jährlich, welche die Gemeinde durch die Annahme der zweiten Alternative weniger bekommt, können wir doch die Häuser nicht weggeben und die Ennsleitenbewohner nicht dem guten Willen der Waffenfabrik ausliefern, während sich durch die zweite Alternative die Gemeinde die freie Hand behält. Selbst aus den Kreisen der Mieter auf der Ennsleiten sind Stimmen laut geworden, daß diese, wenn die Gemeinde rechnerisch darauf zahlt, sie bereit wären, lieber mehr Zins, zu zahlen, so ist nicht¬ einzusehen, warum der Sektivnsantrag nicht angenommen werden solle Kommt die zweite Alternative zufolge Antrages der Sektion zur Annahme und die Gemeinde nimmt von der Waffenfabrik eine jährliche Beitragsleistung von 1300 Kronen pro Wohnung an, so hätten die Mieter die Zinse an die Ge¬ meinde zu entrichten und die Gemeinde hätte alle Rechte und Pflichten des Hauseigentümers. Die Häuser haben der Gemeinde 20 Millionen Kronen gekostet und sind heute unter Brüdern vielleicht 50 Millionen Kronen wert. Salzburg und Graz haben ähnliche Bauten aufgeführt, die viel schlechter ausgeführt sind und 60-80 Millionen Kronen kosten und nun sollen wir uns solcher billiger Objeke wie die Ennsleitenbauten auf 54 Jahre entäußern? Das Defizit von jährlich 150 000 Kronen, welches die Ge¬ meinde durch Annahme der zweiten Alternative zahlen soll, gibt der Gemeinde die immens günstige Möglichkeit, die großen Bau¬ werte sich selbst zu erhalten Es wird aber einmal sicherlich später ein Geldüberfluß auch bei der Waffenfabrik eintreten und sie wird dann trachten, dem Geldwerte entsprechende Objekte zu erwerben, worauf ein Zusammenhandeln zwischen Waffenfabrik und Gemeinde zu Gunsten der letzteren die Gelegenheit gibt, daß beide ein gutes Geschäft machen Wird der Baurechtsvertrag geschlossen, dann ist diese günstige Möglichkeit auf 54 Jahre abgeschnitten. Ich bin noch aus einem weiteren Grund gegen einen Baurechtsvertrag. Wenn die Gemeinde die Gebäude selbst überwacht, so weiß man, wie die Reparaturen durchgeführt werden, denn schließlich ist durch den Baurechtsvertrag die Waffenfabrik nicht die volle Eigentümerin der Häuser und wird die Reparaturen so machen, daß die Häuser in einem unschwer zu denkenden Zustand an die Gemeinde zurückfallen und die unliebsamen Auseinandersetzungen und die Schäden sind weit größer, als der ganze Baurechtsve trag für die Gemeinde Vor¬ teile bringen sollte. Ich war seit jeher gegen einen Baurechts¬ vertrag. Die Gemeinde hat nun den schwersten Teil hinter sich, hat die verwahrlosten Objekte ausgebaut und den Karren aus den Schmutz herausgezogen und nun soll man wieder aus der günstigen Bahn heraus. Auf der Basis der zweiten Alternative kann man noch immer handeln. Die Fürsorgeabgabe hat mit einem Federstrich rund 5 Millionen Kronen gesichert, sie kann auch im nächsten Jahre erhöht werden und soll man daher wegen der 150 00 Kronen, was die Gemeinde zu bezahlen hätte, keine ängstliche Haltung einnehmen. Weiters ist mir zur Kenntnis gelangt. daß ein Gesetzentwurf in Vorbereitung steht, welcher den Fabriksunternehmungen den Zwang auferlegt, daß sie ent¬ sprechend ihrer Ausdehnung einen best mmten Betrag für Wohn¬ zwecke auszugeben oder selbst zu bauen haben. Diesem Gesetze könnte die Waffenfabrik entgehen, wenn der Baurechtsvertrag errichtet würde, weil sie sagen wird, sie hat ohnehin durch die Uebernahme der Häuser auf der Ennsleite ihre soziale Pflicht voll erfüllt Herr Vizebürgermeister Dedic bemerkt, daß ihm weder ein Baurechtsvertrag noch ein Bestandvertrag sympathisch sei; auch mit dem Angebote der Waffenfabrik, nunmehr 1300 Kronen pro Wohnung dei ragen zu wollen, zahlt die Gemeinde stark darauf. Das Präsidium will schließlich genau dasselbe, was Herr GR Dr. Peyrer haben will, deshalb will es neue Verhand¬ lungen pflegen. Es sind uns neue Vorschläge erstattet worden,

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