Gemeinderatsprotokoll vom 13. März 1920

2 täglich 1 Liter Krankenmilch, wöchentliche Gesamtmenge beträgt nun 10½ Liter Ist aber noch zu wenig. Tochter Luzzi geht auch zum Arzt Bekommt einen halben Liter Krankenmilch. Gesamtmenge 14 Liter in der Woche. Der Leiter des Wirtschaftsamtes verweigerte nun die Milchkarte für den letzten halben Liter. Daraufhin beschwerte Fräulein Luzzi beim Vizebürgermeister über den Beamten sich s dreht sich nicht darum, ob diese Personen tatsächlich krank ind oder nicht, sondern darum, daß man vor der Zentralisation mit 4 Liter das Auslangen fand und keine Krankemilch bean¬ pruchte, während jetzt, nachdem schon 10½ Liter angewiesen neuerdings 3½ Liter angesprochen wurden und daß obendrein das hübsche Fräulein über einen allgemein anerkannten Beamter Beschwerde führt; diese Kühnheiten sind interessant. Ich glaube es ist kein Fehler, wenn man der Oeffentlichkeit derartige Fälle zur Beurteilung vorträgt Nach Steyr werden täglich 2930 Liter Milch geliefert. 189 Liter bekommen Anstalten (Spital, Armenhaus usw.). Ueber 1000 Liter entfallen auf Krankenmilch, der Rest soll für die ibrige Bevölkerung, Säuglinge und Kinder reichen. Die Lösung er Krankenmilchkalamität ist dringend. Die Aerzte mußten Grobheiten anhören, wenn sie Zeugnisse verweigerten; ja es wurde ihnen von Gesunden Geld angeboten für Milchzeugnisse Der Reiche kann sichs leisten, wegen ein bisserl Baucherlweh sich ns Bett zu legen. Der Arme geht oft schwerkrank zur Arbeit r meldet sich nicht krank, da er von dem Krankengelde nich eben kann. Er ist daher ein noch arbeitsfähiger Patient, der viel schwerer zur Krankenmilch kommt als jener, zu dem der rzt gerufen wird, da er doch bettlägerig ist Da muß Remedur eschaffen werden, denn Linz hat bei 15000 Liter Milch nur 500 Liter Krankenmilch. Ein halber Liter Milch wird dort nur ausnahmsweise in den schwersten Fällen gegeben, sonst gibt es dort nie mehr als ein Viertel=Liter Krankenmilch. Die Bauern werden auch Gemüse in die Stadt bringen, da sie auf den Verdienst nicht verzichten können,; nur das „es ist schon verstellt“ wird seltener werden. Sie fahren doch genau o zur Stadt wie früher, jedoch nicht von Haus zu Haus, sondern zur Ausgabestelle. Grund dessen wird auch die Milch suß sein da sie nicht zusammengeschüttet, sondern kannenweise ausgegeben werden wird. Die einzige süße Milch im vorigen Sommer war die, die durch den städtischen Sammeldieust aufgebrachte aus Kronstorf, Hargelsberg und Losensteinleiten. Wenn diese Milch im Hochsommer süß nach Steyr kam, so werden doch die Land¬ wirte der näheren Umgebung wie Garsten, Gleink usw. ebenfalls üße Milch bringen. Da der Rieder Milchtransport, der regel¬ mäßig sauere Milch brachte, durch die Einstellung der Kühe heuer entfällt, werden wir voraussichtlich sehr wenig sauere Milch in Steyr haben. Das Verwässern der Milch mußte in einzelnen Fällen estgestellt werden. Doch hat man nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, die Milch im Stalle, in den Verschleißstellen und bei den Kunden zu kontrollieren. Da wird man den Uebel täter schon eruieren und zur Verantwortung ziehen. So gibt es noch verschiedene Mängel zu beseitigen und Fragen zu lösen. Die größte Arbeit ist jedoch geschehen. Man wird auch diese details meistern. Die Milch der Rieder Kühe ist noch nicht restlos erfaßt. Einzelne Besitzer derselben liegen so entlegen, daß sie keine Trans¬ vortgelegenheit haben. Da wir auf die Milch nicht verzichten können, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder weist uns die betreffende Gemeinde dasselbe Quantum Milch von einem anderen Steyr näher liegenden Landwirt an, oder wir müssen, o leid es uns tut, die Kuh, von der wir keine Milch bekommen, dem Bauer aus dem Stalle treiben und anderwärts unterbringen Erwähnenswert ist, daß durch das Wegfallen der hohen Bahn¬ spesen, die auf dem Rieder Milchtransporte lasteten, den Durch¬ schnitts=Verschleißpreis der Milch bedeutend verbilligt wurde. Ein erfreuliches Moment ist, daß der Viehstand in unserem Bezirke in punkto Stückzahl die Höhe der Vorkriegszeit erreicht hat. Doch haben wir an Milchkühen ungefähr erst die Hälfte wvie im Jahre 1914 Durch das Heranwachsen der Kälber bessert sich die Situation allmählich und man kann ruhig behaupten, daß wir den Tiefstand in der Milchversorgung hinter uns haben. Gegenwärtig sind zwei große Besitzungen wegen Maul= und Klauenseuche gesperrt. Doch dürfte diese Krise bald überwunden sein, da die Seuche lokalisiert blieb und im Verlöschen ist Am schwersten empfinden wir aber das Verlorengehen des Gebietes aus Niederösterreich für die Milchablieferung nach Steyr. Selbst dann, wenn in zwei bis drei Jahren die Zahl der Steyrer Milchkühe ihre ursprüngliche Höhe erreicht haben wird, werden wir dieses Gebiet nicht vermissen können Dafür Ersatz zu schaffen, oll unsere größte Sorge sein, speziell in der heutigen Notlage. Stadt Steyr hat einen Verpflegsstand von 25000 Personen ind 2930 Liter Milch Ich will diese Zahlen allen Gegnern der Zentralisation vor Augen führen und wenn sie nur einen Funken Gerechtigkeitssinn und Mitgefühl für andere Menschen im Herzen tragen, werden sie von den verantwortlichen Funk¬ tionären nicht verlangen, daß diese ruhig zusehen, wie der blinde Zufall die Milch verteilt und Kinder unberücksichtigt bleiben, dieselben gar nicht behindern, das geringe Quantum gleichmäßig und gerecht zu verteilen. Ohne Zentralisation würde eine Mehr¬ anlieferung der Milch nur wieder einzelnen zugute kommen und lie der Allgemeinheit. Das soll verhindert werden L. Steinbrecher. Nach Verlesung desselben bemerkt Herr Vorsitzender Bürger¬ neister Wokral, daß es sich in Hinkunft empfehlen dürfte, in solchen Berichten namentliche Anführungen von Parteien weg¬ zulassen, da die Anführung von Parteien mit Namen der Oeffent¬ ichkeit gegenüber nicht praktisch erscheint. Der Bericht zeigt aß die Milchversorgung auf dem Wege der Besserung sich be¬ findet, obgleich noch mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden ein werden, bis von einer glatten Versorgung der Bevölkerung gesprochen werden könne. Aber auch über diese Schwierigkeiten vird man noch hinwegkommen und kann mit Befriedigung fest estellt werden, daß Steyr gegenüber Linz voraus ist, als wir üße Milch ausgeben können, während in Linz zur jetzigen Jahreszeit chon sauere Milch vorkommt. Es ist dies ein Beweis, daß Steyr mit der Zentralisation das Richtige getroffen habe, um üße Milch für die Bevölkerung zu sichern. der Bericht wird vom Gemeinderate zur Kenntnis ge¬ iommen. Der Gemeinderat tritt sodann in die Tagesordnung ein. Die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung werden der ver traulichen Sitzung vorbehalten. err G=R. Prof. Brand meldet sich zur Tagesordnung zum Worte und führt aus: Es muß darauf aufmerksam gemacht verden, daß die Beschlüsse der l. Sektion nicht mit der erforder¬ lichen Mehrheit zustande gekommen sind; die 1. Sektion umfaß Mitglieder, während in der Sektionssitzung nur 4 Mitglieder erselben anwesend waren err Vizebürgermeister Dedic erwidert, daß dies nicht richtig sei, da an der Sitzung der 1. Sektion 5 Mitglieder u. zw. ie Herren Gemeinderäte Kletzmayr, Reisinger, Kisely, Rudda und er selbst als Vorsitzender, somit die Mehrheit anwesend waren. Herr G. R. Prof. Brand erklärt, dies nicht anerkennen u können, da die Stimme des Vorsitzenden nicht mitzuzählen ist. So sei es auch im Landtage. Wenn im Landtage in Ver¬ hinderung des Landeshauptmannes sein Stellvertreter den Vorsitz führt, so hat er, wenn er gleich Mitglied des betreffenden Aus¬ chusses, den er präsidiert ist, kein Stimmrecht. Die Stimme es Herrn Vizebürgermeisters Dedic als Vorsitzenden und Mitglied der 1. Sektion ist daher nicht anzuerkennen. Die Be¬ schlüsse der 1. Sektion sind daher nicht mit Majorität zustande gekommen. Ebenso soll es, wie man eben hört, auch in der II. und III. Sektion gewesen sein; in der II. Sektion sollen nu wei und in der III. Sektion nur drei Mitglieder derselben an¬ wesend gewesen sein Redner erklärt, durchaus keinen Wirbel anfangen zu wollen, aber bitten zu müssen, daß die Beschlüsse der Sektionen in Hin¬ kunft mit der erforderlichen Majorität zustandegebracht werden. Dies liege in der Pflicht und der Verantwortung den Wählern jegenüber Herr Vorsitzender Bürgermeister Wokral erwidert, daß nach der heute in Kraft stehenden Geschäftsordnung keine Vor¬ chrift bestehe, daß die Sektion zu ihren Beschlüssen in der Mehrheit ersammelt sein müsse; nach der bisherigen Vorschrift ist es leichgiltig, ob der Bürgermeister oder sein Stellvertreter den orsitz führt. Den Ausführungen des Herrn G.=R. Prof. Brand ist aber grundsätzlich zuzustimmen, und wird dem Gemeinderate vielleicht schon in der nächsten Sitzung ein Entwurf einer neuen Geschäftsordnung vorliegen. In der jetzigen Geschäftsordnung bestehen gewaltige Lücken und ist es gewiß im Sinne des ganzen Gemeinderates, wenn raschestens eine neue, den heutigen An¬ orderungen entsprechende Geschäftsordnung geschaffen werde. Für den gegenwärtigen Fall liegt kein Anstand vor, die Be¬ chlüsse der Sektionen anzuerkennen, da sie nach den Vorschriften der Geschäftsordnung zustandegekommen sind. (Zustimmung) I. Sektion 3. Bestellung von Personen zur Bedienung der öffent¬ ichen Brückenwagen und Festsetzung eines neuen Wag¬ tarifes für die öffentlichen Brückenwagen. Referent Herr G.=R. Kletzmayr Vom Magistrate liegt folgende Zuschrift vor: Durch die Auflassung der Pflaster= und Brückenmaut ergibt sich die drin¬ ende Notwendigkeit, Vorsorge für die Bedienung der städtischen Wagen zu treffen. Bisher haben einige Mauten die Bedienung esorgt. Der Magistrat ist aber außerstande, zu dieser Beschäf¬ igung für jede Wage eine Person anzustellen Es gibt nur eine Möglichkeit einer rationellen Lösung die ist, in der Nähe der Wage befindliche Geschäftsleute mit der Jedienung der Wage zu betrauen, gegen Entrichtung eines Pau¬ chales, gegen perzentuelle Anteile am Ertrag Der Gemeinderat wird hiemit eingeladen, sich sofort mit dieser Angelegenheit zu befassen und die notwendige Entscheidung zu treffen. Nach dem Amtsvermerk der Stadtbuchhaltung wird es auch notwendig sein, eine Erhöhung des veralterten Tarifes vor¬ zunehmen, da die Erhaltung der Brückenwagen sehr viel kostet Eine Reparatur einer Wage hat im Vorjahre 5000 K gekostet die Sektion stellt folgenden Antrag: Der Gemeinderat eschließe 1. Zu Wagmeistern Leopold Sailer, Gastwirt in Wieserfeld und Ferdinand Raxendorfer, den gewesenen Mautner in der Gleinkergasse, zu bestellen.

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